Auf der D3707 zum Marble Camp
Jemand hat mal gesagt, dass alle Straßen in Namibia, in dessen Nummer eine „707“ vorkommt, Traumstraßen seien. Die D707 im Süden ist wirklich eine solche Traumstraße, aber auch die D3707 ist wunderschön.
Ein paar Tage vor unserer Abfahrt hatte ich gelesen, dass die D3707 geskrappt wurde. Das heißt, dass sie mit einem Padskrapper, einem großen Fahrzeug für Straßenbau, gehobelt wurde, und wieder glatt sein würde. Wir waren gespannt.
Opuwo
Zuerst mussten wir nach Opuwo fahren. Von Epupa bis nach Opuwo sind es ca. 150 Kilometer. Der Weg ist in Ordnung, aber gehört nicht zu den schönsten Straßen Namibias. Es gibt allerdings ein Highlight: ein riesiger Baobab. Anita wollte ihn umarmen, aber das war nur bedingt möglich. Ihre Arme waren einfach zu kurz.
Opuwo war wie vor ein paar Tagen. Wir wurden von Bettlern bestürmt. Aber wir mussten da durch, denn es war für die nächsten 11 Tage die letzte gute Einkaufsmöglichkeit. Vor allem mussten wir tanken und auch unsere Dieselkanister voll machen, denn wir würden für eine lange Zeit auf keine Tankstelle treffen.
Der junge Mann, mit dem ich mich beim letzten Mal über Schule unterhalten hatte, stand wieder auf dem Parkplatz. Es war ein Wochentag. Er bettelte lieber, als die Schule zu besuchen.
„Warum bist du nicht in der Schule?“ fragte ich.
„Ich habe kein Geld für Kugelschreiber.“
„Willst du dein ganzes Leben lang betteln?“ fragte ich.
Er zuckte mit den Schultern.
Gute Straße, schlechte Straße
Nach einem Mittagessen fuhren wir dann weiter auf die D3707 nach Westen.
Es gab Stellen, da gab es keine Straße mehr. Man sah zwar noch Straßenschilder, die vor Kurven warnten, aber die Straße selbst war nicht mehr da. Wir fuhren eher offroad über Zweispurpads.
Dann wieder sahen wir, dass hier tatsächlich ein Padskrapper vorbeigekommen war. Aber immer dann, wo man eine gute Straße wirklich gut gebrauchen konnte, z.B. bei Rivierdurchfahrten mit tiefem Sand, war die Straße sehr schlecht. Aber wir hatten ja ein Allradwagen und können 4×4 fahren, und so war das alles kein Problem.
Wir wussten schon vorher, dass wir irgendwo auf dem Weg wild campen müssten. Der Tag, mit dem Besuch in Opuwo und dem schlechten Weg, hatte uns erschöpft.
„Vorne ist eine Camp Site“ meldete Chris über Funk. Wieder so ein Wegpunkt von iOverlander? Ja. Aber dann stand ein Schild am Straßenrand, das den Weg zur Onganga Campsite meldete. Wir bogen ab.
Onganga Campsite
Die Camp Site war verfallen. Da war schon monatelang keiner mehr vorbeigekommen. Aber es gab wunderschöne schattige Bäume und Quellen. Im nahen Flussbett war Wasser.
Auf der Camp Site war eine ältere Ovahimbafrau, die mit einem Jungen eine Herde Ziegen weitertrieb. Ich begrüßte sie auf afrikanische Art: „Guten Tag. … Wie geht es ihnen? … Danke gut! Und ihnen? … Uns geht es auch gut.“
Dann fragte ich, ob wir dort campen könnten. Selbstverständlich könnten wir das! Der Junge musste noch eine alte Autotür zur Seite räumen. Wir wurden willkommen geheißen und bauten unser Camp auf. Sie ging zurück ins nahe Dorf.
Wir waren eine Sensation. Immer wieder kam jemand vorbei. Alle waren sehr freundlich, aber es war schwierig mal hinter einen Busch zu gehen, weil dort garantiert jemand stand und guckte.
Am nächsten Tag kam die Frau wieder und brachte einen jungen Mann mit. Diesmal benutzte ich meine einzigen Hererobrocken:
„Wapenduka naua?“ fragte ich. Das heißt: „Sind sie gut aufgestanden?“ und bedeutet sinngemäß „Wie geht es ihnen?“
Sie schaute mich erstaunt an antwortete aber mit „Eh, naua!“ (Ja, gut) und fragte mich dann, ob ich gut aufgestanden sei und ich antwortete mit „Naua.“
Sie merkte dann, dass das mein einziges Herero war, lachte und schwenkte auf Englisch um. Sie stellte mir den jungen Mann vor. Er sei eigentlich der Hüter der Camp Site aber mit und seid Covid war niemand mehr gekommen. Der junge Mann wollte mit mir sprechen.
Er fing an mit „Wie mein Onkel schon sagte…“ Onkel? Das war doch eine Tante? Er sah meine Verwirrung und erklärte, „He is a man.“ Okay.
Der junge Mann sagte, er würde gerne die Camp Site wieder aufbauen. Er wollte von uns wissen, was für uns bei einer Camp Site am wichtigsten sei.
Ich sagte, dass sie das Wichtigste schon hatten: Schatten. Mit den Quellen und der Wasserstelle im Flussbett, gab es auch ein Highlight, weil man dort, wenn auch nicht schwimmen, sich zumindest abkühlen könnte. Was sie noch bräuchten, wären Toiletten. Und Duschen? Duschen sind gut, aber wenn man im Fluss baden kann, sind Duschen nicht so wichtig wie Privatsphäre und Sicherheit. Ich erklärte ihm, dass Touristen, die zu einer solchen Stelle kommen würden, es bevorzugen würden, nicht andauernd beobachtet zu werden. Und sie wollten keine Angst haben, bestohlen zu werden.
So unterhielten wir uns eine Weile. Der Onkel/Tante stand daneben und hörte zu.
Der junge Mann fragte, ob er meine E-Mail-Adresse haben könnte. Er würde die Camp Site aufbauen und mir dann Fotos schicken. Moderne Kommunikationsmittel hatte ich hier draußen nicht erwartet. Er erklärte, dass ein paar Kilometer weiter ein Büro von der Conservancy sei, mit Computer und Internet. Wenn er Rat bräuchte, könnte er mich kontaktieren und wenn dann alles fertig wäre, könnte er mir Bescheid geben.
Wir gaben Onkel/Tante Geld für die Übernachtung und wurden freundlich verabschiedet.
Zum Marble Camp
Wir fuhren die D3707 weiter nach Westen. Die Landschaft, mit den Giraffenbergen auf der linken und den Tönnissenbergen auf der rechten Seite, war wunderschön. Ab und zu standen Gruppen von Makalani-Palmen in der Landschaft – dort gab es eine natürliche Wasserstelle und natürlich auch ein Ovahimbadorf. Immer wieder mussten wir den Hoarusib durchqueren.
Dann verließen wir das Einzugsgebiet des Hoarusib und fuhren über einen Pass zum Khumib. Meistens war die Straße gut geskrappt, aber an den schwierigsten Stellen hatte auch der Padskrapper nichts mehr tun können und balancierten wir unsere Autos vorsichtig über die Felsen.
Im Khumibtal verließen wir das zerklüftete Gebirge. Die Landschaft öffnete sich zu einer weiten Ebene.
Chris hatte es satt, immer hinter uns her zu fahren und unseren Staub zu schlucken. Wir hielten wahrscheinlich auch viel zu oft an. Er wollte vorfahren. Schließlich hatte er ein Navi und ein Wegpunkt für unser Tagesziel, dem Marble Camp. Schon vor ein paar Kilometern hatte er gefragt, warum wir nicht den direkten Weg nehmen würden und stattdessen Umwege fahren würden. Die Antwort war: weil es noch ein paar Orte gab, die wir sehen wollten und weil der Umweg ein besserer Weg war. Und außerdem ist der Weg das Ziel. Egal, er wollte vorfahren und brauste davon.
Unser nächster Wegpunkt war Witdrom, ein weißes Fass. Im Kaokoland sind Kreuzungen mit verschiedenfarbigen Fässern markiert und ein Ziel unserer Reise war, alle Dromme – also Fässer – abzufahren. Witdrom war das erste.
An den Spuren sahen wir, dass Chris hier vorbeigekommen war und angehalten hatte.
Wir machten unsere Fotos und fuhren dann weiter, über die Otjihaa-Plains zum Marble Camp. Chris war schon da und hatte seine Hängematte aufgehängt.
„Hast du den Lone Man gesehen?“ fragte Anita ihn. Nein, hatte er nicht. Dabei hatte er nur ein paar Meter neben dem Weg gestanden. Aber Lone Men bestehen aus demselben Gestein wie die Umgebung und sind deswegen manchmal nicht leicht zu erkennen.
Der Marmorsteinbruch
Ich ging, wie fast jeden Nachmittag, spazieren. An dem Tag wollte ich mir mal den Marmorsteinbruch, der dem Camp seinen Namen gegeben hatte, ansehen. Ein paar Kilometer weiter nordöstlich fand ich den Steinbruch. Große Blöcke Marmor lagen herum, sauber aus dem Berg geschnitten.
Es heißt, dass die Chinesen den Marmor abgebaut hätten, aber dass der Weg zum Hafen in Walvis Bay zu schwierig sei. Deshalb wurde der Steinbruch aufgegeben. Ich sah viele Risse im Gestein und nehme an, dass auch die mangelhafte Qualität bei der Aufgabe eine Rolle gespielt hatte. Inzwischen haben die Chinesen die Marmorwerke in Karibib und Umgebung übernommen. Dort ist das Gestein besser und es gibt eine Teerpad nach Walvis Bay.
Als ich von meinem Ausflug zurück ins Camp kam, war das Essen schon fast fertig. Anita hatte ihren Omnia-Backofen mitgenommen und damit überbackene Nudeln gezaubert. Dazu gab es einen frischen Salat und wir waren uns einig, dass der Omnia eine wahre Bereicherung unserer Ausrüstung war.
Wir waren die einzigen Gäste auf dem Marble Camp. Nur oben auf dem Berg, beim House on a Hill, waren noch Menschen. Das warme Wasser für die Dusche wurde durch Solarpanele erzeugt. So war kein Personal nötig, um Donkeys zu feuern. Aber kurz vor Sonnenuntergang, kam eine Frau, die die Campsitegebühren kassierte.
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