Am Kunene
Opuwo
Unser nächstes Ziel war Opuwo, der einzigen größeren Stadt mit Supermärkten und Tankstellen im Kaokoland.
Sobald wir auf einem Supermarktparkplatz anhielten, wurden wir von fünf Ovahimbafrauen, die Armreife und Ketten verkaufen wollen, sowie 10 Bettlern bestürmt. Und dann musste ich noch aufmerksam in die Rückspiegel schauen, ob ein Langfinger versuchte, irgendwas vom oder aus dem Auto zu stehlen.
Es wird von Jahr zu Jahr schlimmer. „Give me! Give me!” hieß es von allen Seiten. Die Worte „Bitte“ oder „Danke“ kommen in ihrem Vokabular nicht vor. Und die Kinder sind wohl mit einer bettelnden Hand geboren worden. Vor dem Supermarkt zeigten die Bettler auf die Plakate mit Sonderangeboten und erwarteten, dass ihnen ihr Wunsch mitgebracht wurde. Anita schob einen Einkaufswagen durch den Supermarkt und plötzlich legte jemand ein Brot in den Wagen. „Buy me!“
Während Anita und Chris einkauften, blieb ich wegen Penny im Auto und setzte mich mit den Scharen von Bettlern auseinander. Zum Glück war ich durch vorige Besuche auf die Belagerung seelisch vorbereitet und konnte die Situation ruhig angehen.
Zuerst sagte ich den magischen Satz: „Ich wohne in Omaruru.“ Die Menschen um unser Auto merkten: Keine Touristin. Da kriegen wir nichts. Vor allem die Schmuckverkäuferinnen versuchten ihr Glück woanders. Es blieb eine Schar von Bettlern übrig.
Ich schaute mir einen jungen Mann aus, und gab ihm den Auftrag, unsere beiden Autos von Bettlern freizuhalten. Das machte er auch sehr schnell. Dann stand er neben dem Fahrerfenster und wir unterhielten uns.
„Ich hätte gerne ein Auto wie dieses,“ sagte er und strich über die Kühlerhaube von unserem !Nwassa.
„Das kannst du haben,“ sagte ich. Er schaute mich überrascht an.
„Weißt du, wie ich dieses Auto bekommen habe? Ich war in der Schule und habe hart gelernt. Dann habe ich studiert und eine Berufsausbildung gemacht. Dann habe ich gearbeitet und gespart. Und irgendwann konnte ich mir das Auto leisten. Wenn du all das tust, kannst du auch so ein Auto haben.“
Dieser Vorgang kam ihm wohl ein bisschen langwierig und mühsam vor. Manchmal frage ich mich, ob sie wirklich denken, dass wir einen Goldesel im Keller haben. Wie meinen sie denn, kommen wir zu unseren Autos?
„Gehst du zur Schule?“ fragte ich. Er war etwa 14 Jahre alt.
„Nein. Ich habe kein Geld für Kugelschreiber.“
Für mich ist das eine wohlstudierte Ausrede, denn er verdient durch Betteln und Autos aufpassen genug, um sich einen Kugelschreiber kaufen zu können. Und was ist mit den Eltern? Haben sie nicht die Verantwortung, ihre Kinder zu Schule zu schicken und ihnen das zu besorgen, was sie dafür brauchen? Ich vermute mal, dass viele Eltern ihre Kinder eher zum Betteln schicken. Es ist eine einfache und schnelle Art zu Geld zu bekommen.
Wer trägt die Verantwortung dafür, dass diese Menschen zu Bettlern geworden sind? Für mich ist die Antwort klar: Die Touristen haben sie dazu erzogen. Denn es ist auffallend, dass nur die Touristen angebettelt werden. So ist ein ganzes Volk von Bettlern entstanden, Menschen, die ihr ganzes Leben nichts anders tun können, als betteln. Die Touristen beruhigen für ein paar Minuten ihr schlechtes Gewissen (warum haben sie überhaupt eins?) und sorgen dafür, dass diese Menschen für den Rest ihres Lebens arm bleiben. Warum sollen sie lernen und arbeiten, wenn sie betteln können?
„Warum bettelst du nur bei weißen Menschen?“ fragte ich ihn. Es war auffallend, dass die wohlhabenden schwarzen Supermarktbesucher nicht von den Bettlern belästigt wurden.
„Das kann ich nicht,“ sagte er.
„Warum nicht?“
Er zuckte mit den Schultern und blieb mir eine Antwort schuldig.
Anita und Chris kamen völlig genervt aus dem Supermarkt zurück. Wieder kamen Bettler mit „Give me! Give me!“ Dieses aggressive Fordern ohne „Bitte“ und „Danke“ war, was uns am meisten aufregte. Ich schickte den jungen Mann los und er vertrieb die anderen Bettler. Anita und Chris konnten in Ruhe die Einkäufe einpacken.
Der junge Mann bekam zehn Dollar für seine Mühe und wir fuhren zum Restaurant.
Auch dort wurden wir von Bettlern bestürmt. Ich sah einen etwas kleinwüchsigen Jungen, der nur die Hand hob, um anzuzeigen, dass er Autos aufpasst, und beauftragte ihn, nach unseren Fahrzeugen zu sehen.
„Sorg dafür, dass niemand unsere beiden Autos anfasst.“ Er nickte. Chris meinte zwar, dass er gar keine Chance hätte, Diebe zu verjagen, aber als wir später zurückkamen, saß nur er bei unseren Autos und alles war unversehrt. Dafür bekam er seinen Lohn.
Das Mittagessen im Restaurant war in Ordnung, nur die Bedienung war unaufmerksam. Wir waren froh, als wir die Stadt wieder verlassen konnte.
Kunene River Lodge
Unser Ziel war die Kunene River Lodge. Dazu fuhren wir erst die C43 in Richtung Epupa und dann auf der D3701 nach Swartbooisdrif. Die Straßen waren gut, aber immer wieder gab es Überquerungen von kleinen Rivieren, wo wir sehr langsam fahren mussten. Landschaftlich ist die Strecke nicht überwältigend, aber wir fuhren durch Berge und erreichten am frühen Nachmittag die Lodge.
Wir besuchen die Kunene River Lodge gerne, denn die Stellplätze sind unter hohen Bäumen, Palmen und Bananenstauden und sind deswegen sehr schattig. Sie liegen direkt am Kunene und von dort konnten wir auf den Fluss und rüber nach Angola schauen. Wir wollten zwei Nächte bleiben. Am nächsten Tag, einem Sonntag, wollten wir einen Ruhetag einlegen.
Die Lodge war sehr voll, aber wir bekamen noch eine Camp Site, die allerdings ziemlich schräg zum Fluss runter ging. Als die anderen Besucher am nächsten Tag abgereist waren, konnten wir auf eine schönere Site gleich nebenan umziehen.
Am Ruhetag ging ich am Fluss spazieren. Überall standen die großen Makalanipalmen. Durch die Palmen und andere Bäume war es schattig. Ruhig floss der Kunene vorbei. Auf der angolanischen Seite sah ich eine Herde Ziegen, ein paar Rinder und den dazugehörigen Hirten. Einmal fuhr dort ein Motorrad vorbei – ein schwieriges Unterfangen, denn dort gibt es keine richtige Straße. Ich erreichte ein felsiges Ufer und fand dort eine schattige Stelle, an der ich mich hinsetzen und Vögel beobachten konnte. Vor allem die kleinen Graufischer, eine Eisvogelart (wobei es hier garantiert kein Eis gibt!), machte mir Spaß. Sie flatterten auf einer Stelle, etwa 10 Meter über dem Wasser. Wenn sie einen kleinen Fisch sahen, ließen sie sich kopfüber ins Wasser fallen. Manchmal hatten sie Glück und konnten ihre Beute fangen, oft kamen sie erfolglos an die Wasseroberfläche zurück, flogen wieder hoch und warteten auf das nächste Fischlein.
Die anderen beiden entspannten auf der Camp Site. Chris hing in seiner Hängematte rum. Anita las ein Buch. Es war sehr entspannend. Es gab keinen Mobilfunkempfang im Camp selbst, aber neben der Rezeption stand ein Stuhl und dort hatten wir zwei Klötzchen 2G-Empfang, der für WhatsApp ausreichte.
Dann stellte Anita fest, dass unser Engel, also unsere Kühlbox, aus war. Als erstes untersuchte sie das Kabel. Es war fest in der Steckdose. Auch die Sicherung am Engel selbst war in Ordnung. Chris, als ehemaliger KFZ-Mechaniker, öffnete die Kühlerhaube und stellte fest, dass einige Sicherungen durchgebrannt waren. Es hatte, beim Malheur mit dem Dachzelt, nach verkohlten Kabel gerochen. Zum Glück hatten die Sicherungen schlimmeres verhindert und zum Glück habe ich immer viele Ersatzsicherungen dabei. Die setzten wir ein und alles lief wieder prima.
Endlich, nach vielen Tagen, hatten wir wieder genug Wasser und eine Dusche. Chris nutzte die Gelegenheit, um zusätzlich noch ein Fußbad zu machen.
Am Montagmorgen wurden wir durch lautes Getöse geweckt. Es wurde gerade auf der Lodge umgebaut und die ruhige Atmosphäre war vorbei. Wir packten unsere Sachen und fuhren weiter.
Auf dem Weg nach Epupa
Wir wollten am Kunene entlang, nach Epupa fahren. Aber zuerst sollte es zu den Ondurusu Falls, einem kleinen Wasserfall im Kunene gehen. Auf einer vorigen Reise hatten wir den Wasserfall bereits mit einer Sundowner Tour auf dem Fluss besichtigt, jetzt wollte ich mal sehen, wie sie von Land aus aussehen.
Die Pad zum Wasserfall war sehr steinig. Dann kam am Kunene selbst ein Stück Matsch und Tiefsand. Schließlich hielten wir auf einer Stelle mit Schotter an.
Der Wasserfall war leider nicht ohne weiteres zu erreichen. Wir hätten um einen Berg herumlaufen müssen. Anita und Chris wollten diese Wanderung nicht machen und ich fand den Weg auch zu mühselig und zeitraubend, so dass wir das Vorhaben abbrachen.
Wir wollten zurück zur D3700 und mussten wieder durch den Tiefsand fahren. Fast wäre unser Land Cruiser stecken geblieben, aber wir schafften es auf die andere Seite.
Chris hatte nicht das Glück. Über Funk berichtete er, dass er festsaß.
Er ließ Luft aus den Reifen, und buddelte den Sand mit seinem Klappspaten weg. Dann konnte er rückwärts wieder auf den Schotter und dann einen festeren Weg durch den Tiefsand fahren.
Während er die Reifen wieder aufpumpte, war er immer noch ein wenig verärgert, dass er steckengeblieben war. Aber wir selbst sagen immer: Es ist nicht eine Frage, ob man auf so einer Tour festsitzt, sondern nur wann das geschieht.
Wir fuhren weiter nach Swartbooisdrif. Dort gab es mehrere Wege. Wir wählten den direkteren, aber schwierigeren Weg, Chris hatten wir aus den Augen verloren, aber wir hatten ja noch Funkkontakt.
„Muss ich nach links oder rechts abbiegen?“ fragte er. Ich dachte, er sei noch bei der Gabelung zwischen dem guten und dem direkten Weg und empfahl links. Er war aber an einer anderen Kreuzung und anstatt nach Swartbooisdrif zu fahren, fuhr er in Richtung Opuwo.
Wir hingegen fuhren die D3700 am Fluss entlang. Die ganze Zeit dachten wir, dass er wegen dem Mobilfunkempfang in Swartbooisdrif stehengeblieben war, um WhatsApp in die Schweiz zu schicken. Der Funkkontakt war abgebrochen, aber das war bei den Bergen nicht verwunderlich. „Irgendwann wird er uns schon einholen“, dachten wir.
Die Straße zwischen der Kunene River Lodge und Epupa war ein Highlight unserer Reise. An der linken Seite waren gestreifte Berge, die zurecht Zebraberge heißen. Es gab steile Auf- und Abfahrten, aber die Pad war gut. Von oben hatten wir immer wieder einen Blick auf den Kunene mit seinen grünen Bäumen und graugrünen Makalanipalmen.
Ab und zu fuhren wir dann wieder sehr nah am Kunene entlang. Die Gegend selbst ist zwar sehr trocken, aber der Fluss ist eine Lebensader. So verwunderte es nicht, dass sich hier viele Ovahimba niedergelassen hatten. Sie bauten sich ein wenig Gemüse, Mais und Hirse an, und immer wieder begegneten wir ihren Ziegen- und Rinderherden.
Wir fuhren gerade bei Epupa ein, als wir plötzlich wieder Funkkontakt mit Chris hatten.
„Ich bin da!“ sagte er. Wir waren verwundert. Er war doch gar nicht an uns vorbeigefahren.
Nein, er war nicht am Kunene entlanggefahren, sondern über die eher langweilige D3701 in Richtung Opuwo und dann mit der C43 nach Epupa. Schade! Er hatte eine schöne Strecke verpasst.
Wir fuhren zu unserer üblichen Unterkunft in Epupa, der Epupa Lodge. Dort war alles voll. Es gab keinen Platz mehr auf der Camp Site. Aber gleich nebenan war die Omarunga Lodge und dort fanden wir noch einen kleinen Platz unter den Palmen.
Epupa Falls
Wir waren schon ein paar Mal bei den Epupa Wasserfällen gewesen, aber ich ging wieder hin, da es die schönsten Wasserfälle in Namibia sind. Der Weg zum Hauptwasserfall war einfach, aber es gab auch noch einen felsigen Weg flussabwärts, den ich entlang ging. So konnte ich sehen, dass es nicht nur den großen Wasserfall gab, sondern auch viele kleine, die sich über eine Länge von mehreren Kilometern erstreckten. Leider hatte der Kunene nicht so viel Wasser wie bei vorigen Besuchen, und deshalb waren es oft eher Rinnsale, die die Felsen runterliefen, als richtige Wasserfälle.
Abends gingen Chris und ich bei der Lodge essen. Es gab Buffet und das Essen war in Ordnung, aber kein kulinarisches Highlight. Wir fanden den Preis sehr überteuert.
Eigentlich hatten wir vorgehabt, auch in Epupa zwei Nächte zu bleiben, aber der Ort war zu sehr von Touristen überlaufen und unsere Camp Site war sehr klein. Deshalb fuhren wir am nächsten Tag weiter.
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