Auf dem Weg nach Puros

Von Nadas nach Ougams
Auch am nächsten Morgen war es kalt. Wir frühstückten schnell und fuhren los, erst in Richtung Südosten, dann nach Süden.
Wir waren erstaunt, dass es in dieser kargen Gegend Leben gab. Immer wieder sahen wir Springböcke. Am vorigen Abend hatte ich bereits einen Ohrengeier beobachtet, der unheimlich nahe über mir kreiste, dann aber abdrehte, als er merkte, dass ich noch lebte.


Wir ließen die Granitfelsen hinter uns, kamen auf weite Schotterebenen und bogen beim Nadas Rivier in einen Weg ab. Ich wollte die D3707 vermeiden, weil sie zwischen Orupembe und Puros berühmt-berüchtigt für das Wellblech ist. Aber viele andere vor uns waren schon derselben Überlegung gefolgt. Die Alternative war nicht viel besser.
Der Küstennebel war an dem Morgen weit ins Inland vorgedrungen. Während des Vormittags zog er sich zurück und später hatten wir einen blauen Himmel. Aber es blieb während des ganzen Tages kalt.


Wir erreichten die Ougams-Wasserstelle, eine natürliche Quelle, die den Tieren in der trockenen Umgebung das Überleben sichert. Ich kostete das Wasser. Es war leicht salzig – ungenießbar für uns Menschen, aber Tierspuren zeigten, dass die Wasserstelle oft besucht wird.


Von Ougams zum Hoarusib
Nun änderte sich die Landschaft wieder und wurde felsiger. Anita sah in den Felsen alle möglichen Tiere, wie einen Elefanten. Dann näherten wir uns einen Felsen mit einer Höhle, der von weitem, wie ein Honigdachs und von nahem wie ein Bär aussah.


In der Nähe vom Khumib Rivier machten wir unsere Mittagspause und fuhren dann weiter nach Süden. Wir erreichten die Grenze des Skeletons Nationalpark. Hier waren viele Berge von Dünensand überdeckt, aber es gab weiterhin sehr interessante Felsformationen.




Dann erreichten wir den wohl schönsten Aussichtspunkt unserer Reise. Es ging einen steilen Berg hoch. Oben angekommen konnte ich nicht sehen, wo es weiterging, und Anita musste aussteigen und sicher machen, dass ich nicht in einen Abgrund hinunterstürzte. Es war sehr wenig Platz zum Wenden. Die Aussicht nach Westen, hin zum Skeleton Coast Nationalpark war atemberaubend.




Dann ging der Weg runter in den Hoarusib. Wir sahen eine blühende Hoodia. Die Pflanzen sind essbar und appetithemmend und wurden vor ein paar Jahren, als ein Hoodia-Boom zum Abnehmen nach Europa und in die USA schwappte, in der Natur fast ausgerottet. Nun erholt sich der Bestand wieder.



Dann erreichten wir Leylandt’s Drift, den westlichen Eingang des Hoarusib Canyons. Über Jahrtausende hatte der Hoarusib große Mengen Lehm abgelagert, die nun wegwitterten. In einem Seitenarm fanden wir eine windgeschützte Stelle zum Übernachten.



Ich ging wieder spazieren und sah eine Herde Springböcke auf der Ebene. Die Tiere waren nicht scheu und liefen nicht von mir weg. Außerdem fand ich Nashorn-Spuren, die recht frisch waren, aber ich sah keins der Tiere.



Als ich zurückkam, waren die Rosmarinkartoffel, die wir am Vortag nicht garbekommen hatten, fertig. Dazu gab es Kräuterquark und einen leckeren Wein für Anita und Chris und Bier für mich.

Durch den Hoarusib-Canyon


Am nächsten Tag fuhren wir in das Flussbett des Hoarusib. Chris sah eine Lodge auf den Hügeln. Er funkte: „Lasst uns hinfahren und schauen, ob wir einen Kaffee trinken können.“ Tracks4Africa sagte zwar, dass die Lodge verlassen sei und nannte sie „Sky Pollution“, aber durch die Ferngläser sahen wir Menschen bei einer der Hütten. Also fuhren wir hoch.
Die Lodge war tatsächlich verlassen. Zwei Männer lebten dort und passten auf. Der eine war sehr freundlich und erfreut, mal auf Menschen zu treffen. Der andere hatte starke Rückenschmerzen. Anita gab ihm eine Iboprofen. Der freundliche Mann erzählte uns, dass alle paar Monate mal Gäste einflogen, die dann ein paar Tage blieben, aber die Lodge war nicht im Dauerbetrieb. Leider konnte er uns keinen Kaffee anbieten.
Von oben konnten wir das Flussbett des Hoarusib überblicken. Wir sahen, dass es Wasser gab. Durch die Felsen im Canyon weiter östlich wurde das Grundwasser an die Oberfläche gedrückt. Wir würden also einige Wasserdurchfahrten vor uns haben. Bei allen vorigen Durchfahrten hatten wir den Hoarusib so erlebt und einmal hatten wir uns so festgefahren, dass wir per Satellitentelefon Hilfe anfordern mussten. Aber im Gegensatz zu damals war die Regenzeit jetzt schon lange vorbei und wir sahen eine Pad mit frischen Spuren. Wir würden wahrscheinlich ohne weiteres durch den Canyon fahren können.

Wir verabschiedeten uns und fuhren in den Canyon des Hoarusib ein. Steile Felswände stiegen von beiden Seiten des Flussbetts auf. Überall war Wasser, aber wir konnten es problemlos durchfahren. Das Fahren machte richtig Spaß. Wir hofften, Elefanten und Wüstenlöwen sehen zu können, mussten uns aber mit Pavianen und einer reichen Vogelwelt vorliebnehmen.


In der Mitte des Canyons gab es wieder eine Poort, eine sehr enge Stelle. Wir machten eine Pause und ließen Penny im Wasser plantschen. Dann ging es weiter. Das Wasser in Canyon hatte viele Vögel angelockt und ich freute mich über Schmiedekiebitze, Dreiband-Regenpfeifer und Nilgänse.





Die Mauern
Kurz vor Puros meldete Chris sich über Funk. iOverlander zeigte in einer Seitenschlucht eine Sehenswürdigkeit: Mauern. Anita und ich hatten noch nie davon gehört und waren neugierig. Ein sehr enger Weg durch Tamarisken führte in die Schlucht hinein und nach ein paar Kilometer fanden wir zwei Mauern, etwas später nochmal zwei und dann noch eine.

Die Mauern waren von einem Könner aus Natursteinen, ohne irgendwelchen Mörtel gepackt. Manchmal standen sie schützend um einen großen Felsen, manchmal verbanden sie zwei Felsen, manchmal ergänzten sie einen Felsen.
Wir fragten uns, ob das Kunst sei oder nicht. Ich meine, es ist Kunst. Sie erfüllen keinen praktischen Zweck, aber sie bringen mich zum Nachdenken über die Funktion von Mauern als Schutz oder Hindernis. Und wer immer sie gepackt hat, wusste, was er tat. Wie die Lone Men passen sich die Mauern in die Umgebung ein. Eine entdeckten wir erst, als wir schon auf dem Rückweg waren.



Puros
Nach vielen Tagen erreichten wir endlich wieder einen Ort mit einem kleinen Laden. Anita ging hinein und war überrascht, wie sehr sich das Angebot seit unserem letzten Besuch verbessert hatte. Damals war es eher ein Laden für die Einwohner von Puros gewesen und hatte Maismehl und Nudeln verkauft. Jetzt hatte man sich den Touristen angepasst und verkaufte fast alles, was Reisende nach ein paar Tagen in der Wildnis brauchen könnten.

Ein Mann fragte Chris, ob er Diesel brauchte. Chris wollte vorsichtshalber ein paar Liter kaufen und wurde zu einer Hütte geführt. Dort wurde Diesel und Benzin in Einheiten von 20 Litern verkauft. Der Preis war 50% höher als an einer richtigen Tankstelle, aber der junge Geschäftsmann, der es verkaufte, musste es ja erstmal nach Puros hinschaffen. Wir würden dort sicher nicht volltanken, aber wenn wir uns nicht sicher wären, ob man es bis zur nächsten Tankstelle reicht, können ein paar extra Liter schon helfen. Unser !Nwassa hatte noch genug.
Wir fuhren eine gute Straße entlang nach Osten. Wir hatten vor, zwei Nächte auf der Puros Community Campsite zu verbringen, aber zuerst wollten wir noch ein paar Kilometer weiter, zu einem Aussichtspunkt auf der Jan Joubert-Kuppe. Von dort kann man weit den Hoarusib hinaufschauen.

Wenn man das Kaokoland bereist, trifft man oft auf den Namen „Joubert“. Jan Joubert war einer der ersten, die das Kaokoland nach dem Bürgerkrieg im Norden des Landes bereiste und Offroad-Routen erschloss. Eines der ersten Bücher zum Thema, das in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts herauskam, war sein „4×4 Routes in Namibia.1Joubert, Jan H. (2003): 4×4 Routes in Namibia. 8th ed.: Greensport.“ Er war auch einer der ersten, der GPS-Wegpunkte veröffentlichte und es so Reisenden ermöglichte, ein Navi zu benutzen. Heute fahren viele Menschen die Routen und inzwischen kann man seinen Wegen mit dem Kartenmaterial von Tracks4Africa folgen.
Ein starker Wind war aufgekommen und hatte den Staub im Hoarusib aufgewirbelt. Die Berge auf der Westseite des Flusses waren kaum noch zu sehen. Wir hofften, ein windgeschütztes Eckchen auf der Camp Site zu finden.


Chris fuhr nochmal nach Puros. Anita und ich kamen schon kurz nach Mittag auf der Camp Site an. In der Rezeption war niemand da und wir dachten, dass der oder die Diensthabende noch auf Mittagspause sei. Wir suchten uns ein schönes schattiges Camp aus und begannen auszupacken. Wir hatten kaum angefangen, da kam ein Auto, vollgepackt mit Campingsachen und teilte uns mit, dass die und die zwei Nachbar Camps von einer Tourgruppe mit 46 Personen gebucht sei. Kurz darauf kam eine sehr mürrische Frau und sagte uns, dass die Camp Site keine Community Camp Site mehr sei, sondern zur Bush Lodge gleich nebenan gehörte. Und da, wo wir stehen wollten, sei gebucht. Ich fragte, wo wir dann Camp aufschlagen könnten. Bei Camp 1 oder 2, sagte sie. Ich bat sie, mir die Camps zu zeigen und so schlurfte sie mir voran durch den dichten Salvadora Busch. Bei beiden Camps waren frische Elefantenspuren. Die Wasserinstallation von Camp 1 war kaputt und der Boden sehr matschig. Camp 2 erwies sich als sehr schattig, windgeschützt und schön und so schlugen wir dort unser Camp auf.
Später stellten wir fest, dass der Donkey, also der Warmwasserboiler von Camp 2, durchgerostet war. Dort würden wir nicht warm duschen können. Ich schaute nochmal bei Camp 1 nach, aber dort hatten sie Elefanten die Warmwasserleitung kaputt gemacht. Also duschten wir kalt.
Die Mitarbeiterin von der Lodge kam am nächsten Morgen nochmal vorbei. Schließlich mussten wir noch zahlen. Ich fragte, warum sie uns nicht gesagt hatte, dass der Donkey kaputt war. Sie hatte es vergessen. Dafür brauchten wir nicht so viel zu zahlen und jemand von Maintenance kam vorbei und versuchte den Donkey zu flicken. Als wir aber abends duschen wollten, war kein Wasser da – auch kein kaltes – und wir mussten uns mit Wasser in einer Schüssel waschen.
Zurück zum Tag unserer Ankunft in Puros. Wir machten es uns im Schatten gemütlich. Chris‘ Gasflasche hatte noch ein wenig Gas und so buk Anita noch ein Brot im Omnia.




Wanderung im Hoarusib
Am nächsten Tag hatten wir einen Ruhetag. Chris legte sich nicht in seine Hängematte, sondern saß in seinem Stuhl unter einem Baum, ungefähr 50 Meter von unserem Camp entfernt. Dort gab es zwei Blöckchen 2G-Empfang, genug, um WhatsApp zu verschicken.
Anita blieb im Camp und las ihr Buch. Ich machte mich auf eine weite Wanderung. Das Ziel war ein Palmenhain und eine Wasserstelle auf der Ostseite der Jan Joubert-Kuppe.
Auf dem Hinweg war es noch kühl und so ging ich an der Westseite des Flussbetts entlang, um den dicken Sand zu vermeiden. Ich war erstaunt, dass ich eine große Herde Springböcke sah. So nah an einem bewohnten Ort landen sie meistens schnell im Kochtopf.

Etwas weiter stand ein verlassener Ovahimba-Kraal. Eine Hütte aus mit Kuhdung verschmierten Stöcken war ziemlich zerfallen. Ich war verwundert, wie niedrig die Hütte war. Ich hätte mich bücken müssen, um überhaupt durch die Tür zu kommen.


Dann ging ich die hohen Wände des Flussbetts runter und zu dem Palmenhain. Früher hatte es dort mal eine Camp Site gegeben, aber die Elefanten hatten alles verwüstet. Ich sah viele Fußspuren der Dickhäuter und folgte ihren Wegen durch das Dickicht von Palmenwedeln und Tamarisken. Ich bin immer wieder erstaunt, welch enge Wege sie benutzen. Manchmal stand ich vor einer Sackgasse von Ästen, wo ich nicht weiterkam, aber die Spuren gingen weiter durch das Gestrüpp durch.
Auf der anderen Seite des Flussbetts gab es eine kleine Wasserstelle. Dort rastete ich und beobachtete Vögel. Dann machte ich mich auf dem Heimweg. Inzwischen war es sehr heiß geworden und ich wollte unter den Bäumen auf beiden Seiten des Hoarusib durchgehen. Wieder folgte ich den Elefantenspuren. Die Tiere mögen es auch nicht, in der prallen Sonne rumzulaufen. Außerdem finden sie bei den Ana- und Kameldornbäumen reichlich Nahrung.
Als ich ins Camp zurückkam, berichtete Anita, dass Giraffen vorbeigekommen seien. Als es am Nachmittag kühler wurde, ging ich wieder ins Flussbett und sah eine Giraffe, die am anderen Ufer ruhig an einem Anabaum fraß.

Bibliografie
- 1Joubert, Jan H. (2003): 4×4 Routes in Namibia. 8th ed.: Greensport.
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