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Wenn du zum ersten Mal nach Windhoek kommst, wirst du schnell feststellen, dass es sich kaum von einer europäischen Stadt unterscheidet. Es gibt große Einkaufszentren mit Supermärkten und Bekleidungsgeschäften und auch die Restaurants sind eher europäisch geprägt, außer dass es hier oft auch “Game”, also Wild, auf der Speisekarte gibt. Das ist einerseits beruhigend, da du nicht gleich von völlig fremden Eindrücken überrumpelt wirst, sondern dir die Nutella und Haribo in den Einkaufswagen packen kannst. Anderseits fragst du dich vielleicht: “Wo ist denn hier das wahre Afrika? Wo kann ich das traditionelle afrikanische Leben kennenlernen?”
Das “wahre Afrika” ist sehr vielfältig. Die Hochhäuser, Einkaufszentren, Supermärkte und Restaurants gehören dazu. Aber es gibt noch eine andere Seite – die traditionelle Seite, Orte, wo es Lebensmittel gibt, die der europäische Gaumen nicht kennt, wo die Kleidung nicht aus Fernost kommt, sondern in einer Schneiderei hergestellt werden, wenn auch mit modernen Nähmaschinen. Du musst gar nicht weit aus dem Stadtzentrum Windhoeks fahren, um es zu erleben. Fahre einfach nach Katurura zu einem Open Market. Und wenn du schon da bist, besuche auch noch ein traditionelles afrikanisches Restaurant.
Katutura – der Ort an dem wir nicht Leben wollen
Die Geschichte Katuturas
“Katutura” – das Wort kommt aus der Sprache der Herero und heißt: “Der Ort an dem wir nicht leben wollen.” In den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wollte das südafrikanische Regime auch die Bevölkerung Windhoeks nach Rassen trennen. Bis dahin lebte die schwarze Bevölkerung in der “Old Location” oder in der Stadt selbst. Nun sollten sie von dort weg und deshalb wurde kurzerhand ein neues Stadtviertel für die schwarze Bevölkerung aus dem Boden gestampft und die Menschen zwangsumgesiedelt.
Die schwarze Bevölkerung wehrte sich dagegen. Dafür gab es mehrere Gründe. Erstens geschah die Umsiedlung unter Zwang, d.h. den Menschen, die in der Old Location lebten wurde die Freiheit, dort zu leben, wo sie wollten, genommen. Die Zwangsumsiedlung nach Katutura zementierte die Rassentrennung noch mehr. Dann durften die Einwohner die Grundstücke, auf denen sie lebten, nicht mehr besitzen, sondern mussten sie von der Stadt mieten. Außerdem waren die Grundstücke klein und ließen kaum Gemüseanbau zu. Schließlich war der Weg in die Stadt nicht mehr fußläufig, sondern nur noch per Bus zu machen, da Katutura etwa 8km vom Stadtzentrum entfernt erbaut wurde. Am 10. Dezember 1959 gab es einen Aufstand gegen die Zwangsumsiedlung auf der Old Location, der brutal niedergeschlagen wurde. Sam Nujoma, der erste Präsident des unabhängigen Namibia nahm daran teil und der Aufstand an sich führte zur Gründung der SWAPO.
Katutura heute
Die Rassentrennung ist schon lange Geschichte. Heute leben schwarze Namibier in allen Stadtvierteln Windhoeks. Aber das Ende der Rassentrennung bedeutete nicht, dass Weiße nach Katutura zogen. Es gehört zu den ärmsten Vierteln der Stadt und wird fast ausschließlich von Schwarzen bewohnt. Es gibt zwar auch in Katutura Grundstücke und Häuser, die eher dem Mittelstand, als den ganz Armen zuzurechnen sind. Aber meistens sind die Häuser und Grundstücke immer noch recht klein und manchmal bestehen die Behausungen nur aus Wellblech. Über die Jahrzehnte wuchs Katutura und wurde um Viertel wie Wanaheda, Okuryangava, Hakahana, Goreangab und Otjimuise erweitert.
In Katutura kannst du das “wahre Afrika” erleben, d.h. natürlich gibt es hier Einkaufszentren, Supermärkte und Restaurants, aber es gibt auch mehrere Open Markets und afrikanische Restaurants.
Mopanewürmer
Bei unserem letzten Besuch in Namibia wollte Anita mal auf einen Open Market, weil man dort und nur dort Mopanewürmer kaufen kann.
Mopanewürmer sind die Raupe der Motte Gonimbrasia belina und gelten getrocknet und/oder geröstet als eine Delikatesse unter der schwarzen Bevölkerung. Anita hatte sie ein paar Wochen vorher gekostet und fand sie sehr lecker. Nun wollte sie wieder welche kaufen. In einem Supermarkt findet man sie nicht, auf dem Open Market schon.
Unsere Freundinnen Naomi und Salome kennen sich auf solchen Märkten aus und boten an, mit uns nach Katutura zu fahren. Ja, wir waren auch vorher schon nach Katutura gefahren, aber der Ort ist für Frauen nicht ganz ungefährlich. Oder empfanden wir es nur als bedrohlich, weil es anders als das europäisch geprägte Windhoek ist? Wir waren auch schon vorher auf Open Markets gewesen und wussten daher, dass die Kommunikation nicht immer einfach ist. Oft können die Verkäufer weder Englisch noch Afrikaans, von Deutsch ganz zu schweigen. Auch ist die Kultur anders – man begrüßt, bedankt und verabschiedet sich anders. Naomi und Salome können ein wenig Oshiwambo und wissen wie man sich dort benimmt. Deshalb waren wir froh, dass sie uns begleiten wollten und planten für danach auch noch ein Mittagessen im Xwama Traditional Restaurant in Wanaheda.
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Oshetu Community Market
Wir fuhren zuerst zum Oshetu Community Market. Der ist recht einfach zu finden: von der Stadt kommend fährt man die Independence Avenue bis zur Shanghai Street und biegt dann links ab. Ein paar Straßenblöcke weiter ist der Markt auf der rechten Seite kaum zu übersehen. Wir fanden einen Parkplatz direkt vor der Tür und ein freundlicher junger Mann erklärte sich bereit, auf das Auto aufzupassen. Penny konnte nicht im Auto bleiben, wurde daher unter dem Arm geklemmt und wir betraten das große Marktareal.
Bei “Open Market” denkt man oft, dass es sich um einen Markt handelt, der auf einer freien Fläche stattfindet. Aber die meisten dieser Märkte sind überdacht und Verkäufer um Kunden vor der Sonne zu schützen. Allerdings gibt es viele türlose Öffnungen an den Seiten, damit ein frischer Wind durch den Markt wehen kann.
Der Markt ist in mehrere Bereiche, je nach Ware aufgeteilt. Auf der einen Seite sind die Metzger, die ganze Rinder und Ziegen zerlegen, dann gibt es die Lebensmittelhändler auf der einen und die Imbissstuben auf der anderen Seite. Zum Schluss gibt es noch einen Bereich, in dem es nicht um Lebensmittel geht: Dort gibt es Friseursalons, Nagelstudios und Schneidereien.
Wie verhält man sich auf einem traditionellen afrikanischen Markt?
Die meisten Verkäufer können Englisch sprechen, manche allerdings nicht. Auch wenn wir keine einheimische Sprache kennen, so gibt es doch eine Sprache, die universell ist: das Lächeln. Wir stellten fest, dass wenn wir die Menschen freundlich und respektvoll ansprachen oder anlächelten, wir genauso behandelt wurden. Manchmal konnten wir nur mit Händen und Füßen kommunizieren.
Ich hatte meine Kamera zuhause gelassen und nur das Smartphone zum Fotografieren mitgenommen. Große weiße Frauen sind schon auffällig genug; große weiße Frauen in voller Touristenmontur, die wild um sich herum fotografieren sind es noch mehr. Wir wollten den Markt erleben, die Kultur ein wenig kennenlernen und nicht die Einheimischen zu Fotoobjekten machen. Und deshalb möchte ich es gleich vorneweg sagen: Wenn du auf einen Open Market gehst und dort fotografieren möchtest, frage vorher die Person ob du das darfst. Das gilt auch, wenn du die Marktware ohne Menschen fotografieren möchtest: Frage vorher den Verkäufer. Die meisten sagten “ja”, aber es gab auch ein paar Absagen, die ich respektierte. So wirst du hier kein Bild vom Fleischmarkt sehen, obwohl es gerade dort viele gute Motive gab. Die Verkäufer wollten nicht, dass ich dort fotografiere.
Auch die dicke Geldbörse mit allen Papieren und Bankkarten hatten wir nicht mitgenommen, sondern ein paar größere und kleinere Scheine in die Hosentasche gesteckt. Es klingt vielleicht ein wenig paranoid, dass wir die Wertsachen nicht mitnahmen und vielleicht ist es auch übertriebene Vorsicht, denn natürlich sind nicht alle Einwohner Katuturas Verbrecher, die einem Geld, Schmuck und Fotoausrüstung klauen wollen. Aber auch die einheimischen Frauen lassen Vorsicht walten und laufen nicht mit Handtaschen und prall gefüllten Geldbörsen herum sondern verstauen ihr Geld am liebsten im BH.
An den Lebensmittelständen
Als erstes ging es in die Lebensmittelabteilung. Die meisten Waren dort sind getrocknet. Es gibt keine Tiefkühltruhen, sondern Berge und Säcke von Bohnen, Hirse, getrockneten Früchten, getrocknetem Spinat und getrocknetem Fisch.
Und dann Mopanewürmer. Es war im Mai gerade Mopanewurmsaison und fast jeder Marktstand bot sie zum Verkauf an. Draußen, in der Sonne wurde der Nachschub auf großen Planen getrocknet.
Die trockenen Lebensmittel werden in Körben oder Säcken angeboten und man kauft sie immer nach einem Maß: eine alte Motorenöldose. Wenn wir weniger wollten, zahlten wir trotzdem soviel wie eine Dose voll.
Dank Naomi und Salome, die für uns übersetzten, konnten wir viele Fragen zu den uns fremden Lebensmitteln und ihrer Zubereitung stellen. Ab und zu durften wir auch kosten, z.B. vom Baobabfruchtfleisch und Eembe (rosinengroße getrocknete Früchte). Unsere mitgenommene Einkaufstasche füllte sich sehr schnell.
Da wir noch in einem traditionellen Restaurant essen gehen wollten, kauften wir nichts an einem der Imbissstände. Solltest du aber auf einem solchen Markt Hunger haben, dann empfehle ich dir Vetkoek (sprich: Fettkuk). Vetkoek sind wie Berliner Pfannkuchen, aber ohne Marmelade und sehr sehr lecker. Wenn dir eher nach Fleisch ist, kaufe dir Kapana. Kapana ist die namibische Form von Barbeque und wird von der weißen Bevölkerung auch Braaivleis genannt.
Schneidereien, Friseursalons und Nagelstudios
Dann gingen wir auf die Seite des Marktes wo keine Lebensmittel zum Verkauf angeboten wurden, sondern Kleidung und Dienstleistungen wie Friseursalons oder Nagelstudios. Hier sind die Geschäfte in Räumen, die nachts verschlossen werden können.
Dort war es sehr bunt und auch dort wurden wir freundlich angesprochen und konnten ein wenig plaudern. Auffallend war, dass hier Männer die Schneider waren, die mit großen modernen Nähmaschinen bunte Kleider und Hemden nähten.
Xwama Traditional Restaurant
Wir verließen gut gelaunt den Markt, verstauten unsere Ware im Auto, zahlten dem Autoaufpasser ein Trinkgeld und machten uns auf dem Weg zum Xwama Traditional Restaurant: auf der Shanghai Street zurück zur Independence Avenue und dann weiter nach Westen bis zur Omongo Street. Das Gebäude ist nicht zu übersehen. Es gibt einen vor Kriminellen geschützten Parkplatz auf dem Hof.
Wir wurden herzlich empfangen und zuerst herumgeführt. Das Xwama ist nicht nur ein Restaurant, sondern auch ein Kulturzentrum, das dem Gast die Ovambokultur näher bringen möchte.
Außerdem gibt es auch ein paar Tagungsräume, die, natürlich mit vollem Catering, gemietet werden können.
Eine Zielgruppe des Restaurants sind Touristen. Es gibt Tische und Stühle wie in einem normalen Restaurant. Die Toiletten sind gepflegt. Die Bedienung im Restaurant ist sehr freundlich – immer da, wenn man sie braucht aber niemals aufdringlich.
Die Speisekarte des Xwama Traditional Restaurant
Sobald wir die Speisekarte aufschlugen, verließen wir das gewohnte Terrain unser eigenen Kultur und mussten überlegen, ob wir lieber Hühnerfüße oder Mopanewürmer essen möchten.
Naomi und Salome schwärmten vom Marathon Chicken, am besten in Marulaöl mariniert. Marulaöl gab es gerade nicht, aber wir hatten ja welches gekauft und holten es kurzerhand aus dem Auto.
Ich nahm auch Marathon Chicken mit Mahangu, einem Hirsebrei. Anita wollte vegetarisch essen und unbedingt den wilden Spinat probieren und entschied sich für Mahangu mit Omavanda.
Was wir denn trinken wöllten? Da wir grundsätzlich gerne das nehmen, was wir noch nicht kennen, entschieden wir uns für Oshikundu, einem alkohlfreien Gebräu aus Hirse. Es schmeckt leicht säuerlich und wird mit ein wenig Zucker gesüßt. Ich habe meinen Becher getrunken, aber es war nicht so ganz mein Fall. Daher bin ich später auf das altbewährte Windhoek Bier umgeschwenkt.
Bevor das Essen serviert wurde, kam eine junge Frau mit einer Kanne warmen Wasser und einer Schüssel. In Afrika wird traditionell nicht mit Messer, Gabel oder Löffel gegessen, sondern mit den Fingern. Daher war es wichtig, dass wir uns sich vor dem Essen die Hände wuschen.
Das Essen im Xwama Traditional Restaurant
Das Essen kam und war geschmacklich auch gut. Ich esse gerne Mahangu, den festen Hirsebrei, den man in die Soße tunkt. Das Huhn, ein halber Vogel, war allerdings keine Supermarktware und mir ein wenig zu zäh. Wahrscheinlich hatte es tatsächlich ein Marathon gelaufen, bevor es im Kochtopf landete.
Die Füße des Huhns wurden auch serviert, aber ich habe sie nicht gegessen. Für viele andere Menschen sind sie eine Delikatesse. Die Soße, mit ein wenig Marulaöl verfeinert war sehr lecker.
Anita war mit ihrem Mahangu und Omawanda, eine Art Spinat, sehr zufrieden.
Ich habe eine persönliche Macke, die mir den Genuß des Essens ein wenig verdarb: ich esse nicht gerne mit den Fingern. Auch europäische Lebensmittel, die eigentlich mit den Fingern gegessen werden, nehme ich am liebsten mit Messer und Gabel zu mir. Das ist allerdings mein persönliches Ding und hätte ich um Besteck gebeten, hätte man mir es sicher auch gebracht. Aber das wollte ich dann auch nicht – ich wollte das traditionelle Essen auf traditionelle Art und Weise essen.
Das Xwama würde ich nochmal besuchen und auch jedem empfehlen, der mal traditionelle afrikanische Küche essen möchte. Allerdings würde ich beim nächsten Mal wahrscheinlich eher die gegrillte Hühnerleber mit Brot nehmen.
Tipps:
- Fahre mit jemanden, der sich auskennt, der die Sprache spricht und die Kultur kennt. Wenn du niemanden wie Naomi und Salome kennst, gibt es auch Reiseführer, die dir Katutura näher bringen, wie z.B. Bwana Tucke Tucke.
- Halte dich mit dem Fotografieren zurück. Frage, bevor du ein Foto machst und respektiere ein Nein.
Links zum Thema
Links zu Katutura
Links zur Old Location
Links zum Oshetu Community Market
Links zum Xwama Traditional Restaurant
Anette Seiler
Anette bereist schon seit ihrer Kindheit das südliche Afrika. Sie liebt es, in der freien Natur zu sein, zu campen, Vögel zu beobachten und offroad zu fahren.
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