Schakale
Jede Nacht um drei geht das Spektakel los. Zoe, Eduards Hündin, fängt an zu bellen und bald danach wird sie von den anderen großen Hunden, Bruno und Lulu laut kläffend unterstützt. Schakale sind im Camp.
Schakale gehören zur Skeleton Coast wie die Robben und die Möwen. Sie sind die Gesundheitsamtmitarbeiter, die Kadaver von toten Tieren entsorgen.
Aber auch Camper sind für Schakale interessant. Dort mag der eine oder andere Knochen vom Braaivleis abfallen. Leider, so hört man immer wieder, fallen auch kleine Hunde den Schakalen zum Opfer. Ob das eine Urban Legend ist, oder wirklich stimmt, ist schwer zu sagen. Wir sind lieber vorsichtig und passen auf die kleinen Hunde auf.
Die großen Hunde, vor allem Zoe und Lulu haben es sich inzwischen zur Aufgabe gemacht, die Schakale über die Grenzen der Campsite hin zu verjagen.
Sanitäranlagen
Wir haben uns zwei Stellplätze mit je einem privaten Badezimmer gemietet. Meine Mutter, Anita und ich haben das Badezimmer 2, Heikos Familie das mit der Nummer 3.
An jeder Tür ist ein Schild angebracht, das uns mitteilt, dass Wasser ein kostbares Gut ist und dass wir sparsam damit umgehen soll.
Ausgerüstet ist das Badezimmer mit einem WC, einer Dusche und einem Handwaschbecken. Alles ist noch sehr neu und schön, nur in der Dusche blättert schon die Farbe von den Wänden.
Warmes Wasser wird durch Donkeys erzeugt. Es gibt zwei Donkeys. Theoretisch beliefert der linke Donkey die Badezimmer 1 und 4 und der rechte Donkey Badezimmer 2 und 3 mit heißem Wasser. Jeden Abend feuert Eduard den rechten Donkey, der zu unseren beiden Badezimmern gehört. Jeden Abend können Mutter, Anita und ich herrlich warm duschen. Der Rest der Familie hat nur kaltes Wasser.
Der Abfluss ist mir nicht geheuer. Seitdem wir die Badezimmer benutzen, ist die Erde um das Gebäude feucht. Diese Feuchtigkeit stinkt nicht, aber sie breitet sich immer mehr in Richtung unserer Zelte aus. Wenn es so weitergeht, erreicht sie unser Zelt als erstes.
Ich fragte den Mann, der jeden Morgen die Asche aus dem Donkey fegt, was für Wasser da so durch die Gegend läuft. Es sei vom Frischwassertank. Nicht Abwasser? Will ich nur nochmal sicher machen. Nein, kein Abwasser. Na gut.
Wassersparen? Was ist das?
Gestern hat Heiko mal bei der Rezeption gefragt, ob der eine Donkey wirklich beide Badezimmer versorgt. Doch! So wurde versichert. Diese Antwort führte aber nicht dazu, dass es gestern Abend im anderen Badezimmer warmes Wasser gab.
Heute früh erkundigte sich Mutter nochmal. Und da fiel jemanden bei der Rezeption ein, dass unsere Sanitäranlage die einzige ist, bei der nicht nebeneinanderliegende Badezimmer von einem Donkey versorgt werden. Jemand hat die Leitungen über Kreuz gelegt. Badezimmer 1 und 3 teilen sich einen Donkey und Badezimmer 2 und 4 den anderen. Nun durfte Heikos Familie in Badezimmer 4 umziehen und heute Abend, so hoffen wir, kommen alle in den Genuss von warmem Wasser.
Müll
Die Tatsache, dass ich Müll in der Natur verabscheue, ist bekannt.
Wir alle hassen Müll. Wir wollen Natur und keine Plastiktüten, Glasflaschen und Ähnliches vor unserer Haustür. Es geht uns nicht nur um die Ästhetik, sondern auch um das Wohl der Tiere. Wir wollen nicht, dass sich die Robben in Angelschnur verheddern oder die Vögel in Plastiktüten ersticken.
Darum entsorgen wir unseren Müll fachgerecht und hoffen, dass die Müllmänner unsere Müllsäcke nicht einfach irgendwo in die Wüste kippen.
Meine Mutter geht noch einen Schritt weiter. Jeden Tag läuft sie mit einem alten Futtersack in der Gegend rum und sammelt Müll ein.
Sie findet viel Müll. Müll wird vom Meer angespült. Die Angler lassen einfach leere Plastiktüten, Dosen und Flaschen liegen. Wieder stellen wir uns die Frage: Warum? Warum tun Menschen das? Warum nehmen sie ihren Müll nicht mit? Sie haben doch eine volle Dose bis hierher, zur Meile 108 gebracht – warum nehmen sie die leere Dose nicht wieder mit?
Jeden Morgen stöhnen die Männer, die den Donkey sauber machen und die Asche von der Feuerstelle wegfegen darüber, dass sie so viel Müll mitnehmen müssen. Wir verstehen das nicht so ganz. Das ist Müll, den eine alte Frau hergeschleppt hat. Ohne Schubkarre. Da werden sie es ja wohl mit Schubkarre noch schaffen.
Bronzehai
Meine Mutter und ich laufen den Strand entlang. Sie hat ihren Müllsack dabei, ich mein Fernglas und meinen Fotoapparat.
Wir laufen an Anglern vorbei, die auf einer Sandbank stehen und angeln. Einer kämpft mit einem Fisch. Das ist kein kleiner Katfisch. Der Fisch ist sogar noch größer und stärker als ein Kabeljou. Am Ende gewinnt der Angler den Kampf und zieht den Fisch aus dem Wasser. Es ist ein etwa ein Meter langer Bronzehai.
Früher war nicht alles besser. Vor 50 Jahren hätte der Angler den Hai auf dem Strand ersticken lassen. Inzwischen ist auch bei den Anglern eine Bewusstseinsänderung eingetreten: der Hai, der ihnen einen so schönen Kampf beschert hat, soll weiterleben. Heute entfernen die Angler den Haken und tun den Fisch zurück ins Meer.
Unser Hai wird in die tiefe Wasserrinne zwischen Strand und Sandbank ins Wasser getan. Er ist sichtlich erschöpft und ein wenig desorientiert. Er findet nicht den Ausgang zum Meer und manchmal strandet er auf der Sandbank. Aber die nächste Welle kommt bald und hilft ihn zurück ins Wasser.
Ich überlegte, ob ich ihm ins Meer helfen sollte. Aber einen ein Meter langen Hai kann man nicht einfach so packen und fünfzig Meter weit tragen. Die nächste Flut wird ihn zurück ins Meer holen. Bis dahin kann er sich in der Rinne zwischen Sandbank und Strand gut erholen.
So zieht er in der Rinne seine Kreise. Seine Rückenflosse steckt aus dem Wasser empor, seinen Körper können wir im klaren Wasser gut erkennen.
Regen
Wenn die Luft klar ist, sehen wir im Osten den Brandberg, den höchsten Berg Namibias. Das Gebiet zwischen Brandberg und der Küste ist der Flecken Erde in unserem Land, der am trockensten ist. Hier fällt so gut wie nie Regen.
Aber dieses Jahr soll es, nach fünf Jahren Dürre, ein gutes Regenjahr werden. Neulich haben wir südlich vom Brandberg große Türme von Kumulus-Nimbus-Wolken gesehen. Der Brandberg ist fast 2600 m hoch, die Wolkentürme waren etwa viermal so groß.
Nachts werde ich von einem Prasseln wach. Ich brauche eine Weile, bis ich das Geräusch einordnen kann. Es ist nicht Brandung, es ist nicht Wind. Was ist es? Regen! Es ist Regen!
Bald herrscht auf der Campsite geschäftiges Treiben. Fast alle sind aufgestanden und schließen die Fenster.
Aber der Regen dauert nur ein paar Minuten.
Am nächsten Tag ist es morgens sehr nebelig und auch tagsüber kommt kaum Sonne durch.
Auch in der Nacht danach haben wir kurz ein paar Regentropfen. Tagsüber brennt aber die Sonne vom Himmel und alles wird trocken.
In der Nacht danach können wir ein wunderbares Naturschauspiel beobachten. Bei uns ist sternenklare Nacht, aber weiter im Süden erleuchten Blitze den Himmel. Der Regen hat es vom Indischen Ozean einmal über den afrikanischen Kontinent bis zum Atlantik geschafft.
- Meile 108 – Teil 1
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Anette Seiler
Anette bereist schon seit ihrer Kindheit das südliche Afrika. Sie liebt es, in der freien Natur zu sein, zu campen, Vögel zu beobachten und offroad zu fahren.
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