Seit 50 Jahren fahren alle Mitglieder der Familie Seiler, die gerade im Land sind und gerne campen, im Sommer für zwei, drei oder vier Wochen zur Sommerfrische ans Meer. Als wir noch in die Schule gingen, fand dieser Urlaub immer in den langen Sommerferien im Dezember und Januar statt; sobald wir aber nicht mehr von den Schulferien abhängig waren, zogen wir es vor, nach den Ferien in den Urlaub zu fahren, meistens ab Mitte Januar bis Anfang Februar.
Dieses Jahr geht es wieder los. Wir kommen uns vor, wie im Großen Trek. Vier Autos, zwei Anhänger, fünf Zelte, sieben Personen, acht Hunde, genug Lebensmittel für zumindest eine Woche und alles, was wir für den Komfort brauchten, wird nach Meile 108 verfrachtet.
Früher, lange bevor es GPS gab, fuhren die Angler aus Swakopmund nach Norden und wenn sie einen guten Fischplatz fanden, wollten sie ihn irgendwie kennzeichnen. Die Landschaft und vor allem der Strand haben aber keine außergewöhnlichen Kennzeichen. Sie konnten also nicht sagen: beim großen Baum oder schiefen Felsen ist die beste Angelstelle für Galjoen. Es gab keine Bäume oder Felsen nur Sandstrand. Deshalb maßen sie den Abstand zu ihrem Zuhause in Swakopmund und fuhren beim nächsten Mal genausoweit wieder nach Norden und konnten wieder an ihrer Lieblingsstelle für Galjoen angeln.
Das alles fand in einer Zeit statt, in der das metrische System noch nicht im südlichen Afrika angekommen war. Man maß den Abstand von Swakopmund aus noch in Meilen. Und so entstanden die „Meilen“ an der Küste des Atlantik. Meile 4 ist ein Campingplatz, Meile 8 ein Angelplatz, Meile 14 wieder ein Campingplatz, Meile 30 ein Angelplatz und so weiter und so fort, bis hoch zur Ugabmündung, wo der Skeleton Coast Nationalpark anfängt.
Meile 108 ist ein Campingplatz, der nicht etwa 174 Kilometer auf der C34 nördlich von Swakopmund liegt. Schließlich gab es die C34 damals noch nicht und Angler fahren eh lieber am Strand entlang. Am Strand ist es aber weiter als auf der Straße. Meile 108 liegt, wenn man die C34 entlang fährt, nur 160 Kilometer von Swakopmund entfernt und auch nur acht Kilometer nördlich von Meile 100, einem Angelplatz.
Heute muss keiner mehr aufs Tacho schauen und Meilen in Kilometer umrechnen, um Meile 108 zu finden. Der Campingplatz ist, wie alle anderen Meilen gut ausgeschildert und schon von weitem zu erkennen.
Der Campingplatz
Europäer oder Südafrikaner, die zum ersten Mal zu einem der Campingplätze kommen, die nach Meilen genannt werden, sind oft entsetzt. Das Entsetzen ist nachvollziehbar, denn, so erscheint es auf dem ersten Blick, gibt es dort nichts. Und für das Nichts muss man noch bezahlen.
Die Plätze selbst sind relativ große Areale, die mit weißgefärbten Betonsteinen markiert werden. Es gibt keinen Schatten oder Windschutz. Dafür ist der Strand 100 m entfernt.
Eigentlich ist Schatten für uns ein sehr wichtiges Kriterium bei der Auswahl von einem Campingplatz. Anderseits campen wir schon seit Jahrzehnten am Meer auf einen der Meilen oder auf Jakkalsputz und wissen daher, dass wir unseren eigenen Schatten und Windschutz mitbringen müssen.
Traditionell gab, bzw. gibt es Plumpsklos. Duschen gibt es bei der Rezeption. Warmes Wasser nur abends zu bestimmten Zeiten verfügbar.
Das ändert sich so langsam. Selbst NWR, die die Plätze betreiben, haben schon bemerkt, dass man mit dem angebotenem „Komfort“ keine Gäste anlocken kann. So erfuhren wir ab September 2019 über die einschlägigen Facebook-Gruppen, dass die Sanitäranlagen auf Meile 108 verbessert werden. Nun soll es pro Campingplatz ein privates abschließbares Badezimmer geben, mit Dusche, Waschbecken und WC. Ein solcher Platz kostet 400,00 NAD pro Nacht. Bis zu vier Personen dürfen zu dem Preis auf den Platz campen. Extra Personen kosten 75,00 NAD pro Person und Nacht. Es gibt auch noch die traditionellen Campingplätze mit Plumpsklo und Dusche bei der Rezeption zu 250,00 NAD pro Nacht für vier Personen. Zu den Sommerferien 2019/2020 gab es sogar ein Sonderangebot: ein Campingplatz mit privater Dusche zu 300,00 NAD pro Nacht.
Meile 108 ist als Terrassen mit drei Ebenen angelegt. Auf der mittleren Ebene liegen die Sanitäranlagen. Wir wollen auf der untersten Ebene campen, wo es nur ein kurzer Weg bis zum Strand ist. Von unserem Platz geht es eine Treppe hoch zu den Badezimmern.
Wir planen mit sechs bzw. sieben Personen zwei Wochen auf Meile 108 zu verbringen und buchten daher zwei Plätze. So werden wir auch zwei Badezimmer haben.
Und so kommt es, dass wir mit vier Autos und zwei Anhängern und ganz viel Gepäck auf Meile 108 ankommen. Wir sind: Anita, Anette und Frauke mit den Hunden Penny, Meisie und Lulu, sowie mein Bruder Heiko, seine Frau Lettie und seine Söhne Michael und Eduard mit den Hunden Bruno, Zoe, Bella und Lily. Eduard wird nur eine Woche bleiben können.
Heringbieger
Anita und ich bauen unser großes Kaudom-Zelt auf. Dafür brauchen wir Zeit und es ist anstrengend die 70 kg Stoff aufzuspannen, aber für einen längeren Aufenthalt ist das Zelt ideal. Das Kaudom-Zelt besteht eigentlich aus zwei Zelten: einem 3×3-Meter großem Bogenzelt, das uns als Schlafzimmer dient, sowie einem 5×4-Meter großem Vorzelt. Beide Zelte sind für afrikanische Verhältnisse gebaut: sie haben große Fenster. Diese Fenster können mit einer Stoffbahn verschlossen werden. Tagsüber stellen wir aber diese Stoffbahnen auf der Meerseite des Zeltes mit Zeltpfählen auf und haben eine schattige Veranda.
Wenn wir eins bei unserem ersten Camp vor 50 Jahren (auf Meile 14) gelernt haben, dann das: Sogenannte „Zeltnägel“ kann man vergessen. Der Untergrund der Campingplätze am Atlantischen Ozean besteht aus hartem Schotter und Sand. Einen Zeltnagel bekommt man keine zwei Zentimeter in den Boden, bevor er sich umbiegt. Das ist der Grund, warum wir diese dünnen Drahtdinger, die immer in einem Zeltsack mit einem neuen Zelt liegen, sofort entsorgen oder in Haken oder ähnliches umwandeln. Wir besorgen uns immer richtige Heringe aus 1 cm dicken Stahl. Mit denen können wir ein Zelt richtig fixieren.
Zum Einschlagen der Heringe ist auch der aus Deutschland gewohnte Gummihammer nicht geeignet. Ein richtiger schwerer Hammer aus Stahl muss es sein.
Für unsere Campsite auf Meile 108 wünsche ich mir einen Bohrhammer. Es befinden sich nämlich faustdicke und größere Steine unter dem Schotter-Sandgemisch der Campingplätze. Da kommen selbst unsere „richtigen“ Heringe und auch meine Armmuskeln ziemlich bald an ihre Grenzen. Es ist ein Gefluche, bis wir das Zelt so abgespannt hatten, dass es nicht gleich vom nächsten etwas stärkeren Südwestwind weggeweht wird.
Nicht das wir starken Wind haben, aber bei 50 Jahren Camping am Meer baut sich eine Erfahrung auf. Sandsturm hatten wir schon.
Der vorherrschende Wind an der Küste kommt aus Westen oder Südwesten. Es ist dieser Wind, der für die Wüste an der namibischen Küste verantwortlich ist, denn er bringt keinen Regen, sondern weht die Regenwolken, die sich von Indischen Ozean her über den großen Afrikanischen Kontinent geschoben haben, wieder weg. Der Atlantische Ozean ist zu kalt, als das sich Regenwolken bilden können. Dafür gibt es aber oft Nebel.
Der Wind vom Meer ist kühl – genau das, was hitzegeplagte Windhoeker im Sommer brauchen und auch der Grund, warum so viele im Dezember und Januar ans Meer fahren.
Auch wenn der Aufbau unseres Zeltes seine Zeit kostet, sind wir im Vergleich zum Rest der Familie sehr schnell. Heiko hat einen Campinganhänger mit Dachzelt, das rundherum noch mehrere Anbauten bekommt. Unser aller Wohnzimmer ist ein großes viereckiges Zelt. Davor kommt ein Pavillion für Schatten. Dann werden für die Jungs und Mutter noch zwei Bogenzelte aufgebaut.
Wir haben unser Zelt schnell eingerichtet. Da Heiko eine komplette Küche hat, brauchen wir keine. In das Schlafzelt kommen zwei Campingliegen mit Matratzen, ins Vorzelt zwei Tische und Stühle. Außerdem baut Anita noch einen kleinen Schrank für unseren Kleinkram auf.
Heiko hat noch eine Solaranlage, die eine zweite Batterie für Kühlschrank und Lichter lädt. Er verlegt noch ein paar Kabel, so dass wir auch nachts im Wohnzimmer genug Licht zum Kartenspielen und Lesen haben.
Unser Kühlschrank bleibt im Auto und wird dort von einer zweiten Autobatterie gespeist. Wenn die Batterie leer wird, hängen wir ein Solarpanel dran.
Vor den Zelten ist eine Feuerstelle, auf der wir unsere Hauptmahlzeiten kochen können. Anita und ich haben von der Farm ein paar Säcke Holz mitgebracht, die wir daneben ablegen. Heiko hat in seinem großen Zelt noch einen zweiflammigen Gaskocher für das Kaffeewasser zwischendurch.
Um die Zelte und die Feuerstelle vor Wind zu schützen, baut Heiko noch einen Windschutz auf. Anita und ich haben auch einen Windschutz dabei, aber ich habe keine Lust, diesen auch noch abzuspannen. Deshalb bleibt er in unserem Anhänger.
Es gibt kein Wasser auf der Campsite selbst, sondern nur bei der Rezeption. Wir haben einen großen Wassertank dabei, den wir auf unseren Anhänger festgemacht haben. Alle paar Tage fährt Heiko mit dem Anhänger zur Rezeption und kauft frisches Wasser.
- Meile 108 – Teil 1
- Meile 108 – Teil 2
- Meile 108 – Teil 3
- Meile 108 – Teil 4
- Meile 108 – Teil 5
- Meile 108 – Teil 6 – Messumkrater
- Meile 108 – Teil 7 – Mineralienroute
- Meile 108 – Teil 8 – Cape Cross
- Meile 108 – Teil 9
- Meile 108 – Teil 10
Anette Seiler
Anette bereist schon seit ihrer Kindheit das südliche Afrika. Sie liebt es, in der freien Natur zu sein, zu campen, Vögel zu beobachten und offroad zu fahren.
Ingrid Kubisch says
Richtig gute Erinnerungen – unser Moroff Clan hat auch viele Jahre dort gecampt.
Malo Hoebel says
Ja die Hoebel’s auch, das waren Crazy Zeiten .
Günter says
Vielen Dank für diesen tollen Bericht. Er gibt für Nichtnamibianer einen super Einblick euer Leben.
Lieben Gruß
Günter
adminOutInAfrica says
Das freut mich.