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Nach der grauen Nebelbrühe von gestern ist heute schönes Wetter mit klarem Himmel.
Pierre und ich gehen um 9:30 in die Stadt. Vor ein paar Tagen hätte ich nicht gedacht, dass ich so schnell wieder deutschen Boden betreten werde, aber meine Vorräte, die bis Antwerpen reichen sollten, gehen zur Neige. In den letzten Tagen hätte ich zwar an Land gehen können, aber es war kalt, das Deck und die Gangway war vereist, und ich wollte nicht irgendwo ausrutschen und mir einen Fuß verstauchen. So blieb ich in meiner warmen Kabine.
Eigentlich will ich, vor allem auf dem Rückweg mit den Einkäufen, mit der Fähre über die Elbe fahren, aber Pierre war gestern schon via Elbtunnel in die Stadt gegangen und will ihn mir unbedingt zeigen. Am Ende bin ich froh, dass er darauf bestanden hat. Wir gehen die Treppen hinunter, vorbei an den Aufzügen für Autos und dann in den Tunnel hinein. Dieses Bauwerk ist über 100 Jahre alt. Während wir durch den Tunnel unter der Elbe hindurch laufen, stelle ich mir vor, wie oben ein großes Schiff wie die Bright Sky über uns hinweg fährt.
Wir fahren mit der U–Bahn bis zum Jungfernstieg und schauen uns ein wenig um. Beim Apple Store gehen wir hinein, damit Pierre die Satellitentelefon–App auf sein iPhone laden kann. Es hat ihn gestern geärgert, dass ich die App im Google Playstore sofort gefunden hatte, er mit seinem iPhone nicht. Aber die junge Frau bei Apple ist sehr hilfsbereit und bald hat er alle Apps, die er braucht, um von hoher See nach Hause zu telefonieren. Wir nutzen die Gunst der Stunde oder vielmehr das freie Wi-Fi bei Apple um uns via WhatsApp bei der Welt zu melden.
Pierre ist, wie ich, ein Freund von Navigation–Apps auf dem Smartphone. Wir vergleichen unsere Apps während wir durch die Straßen Hamburgs gehen. Ich benutze Locus Maps auf meinem Android–Gerät, er Maps.me auf seinem iPhone. Ich weiß, dass Maps.me eine sehr beliebte App ist und schaue sie mir an. Bei Maps.me ist es sehr viel einfacher Kartenmaterial zu laden und ich entscheide mich, umzusteigen.
Wir spazieren wir durch die Gassen um den Jungfernstieg und sind beide der Meinung, dass Gucci, Prada und Co. völlig überbewertet sind. Ein schöner Buchladen oder Globetrotter ist mehr unser Ding und dort verweilen wir eine Weile.
Am Mittag beginnt es in großen Flocken zu schneien. Wir sind beide hungrig. Pierre schlägt vor, ins portugiesische Viertel zum Mittagessen zu gehen, denn um den Jungfernstieg herum gibt es ja kein richtiges Essen, sondern nur McDonald und ähnliches. Beim Essen ist es ihm wichtig, dass es nicht einfach aus Convenience Food dahingerotzt wird. Diese Einstellung ist mir sympathisch und so fahren wir mit der Bahn zurück zu den Landungsbrücken und machen uns auf ins portugiesische Viertel. Da kennt er sich aus, hatte er doch dort in einem Hotel übernachtet. Leider ist sein Lieblingsrestaurant mittags geschlossen und so nehmen wir das nächste portugiesische Restaurant, welches uns nett erscheint.
Da Pierre bis zum letzten Oktober hauptberuflich Winzer war, übernimmt er die Auswahl des Weins. Ein trockener Vino Verde aus Nordportugal soll es sein und der ist tatsächlich sehr lecker. Trocken, aber sehr fruchtig. Ich passte meine Essensauswahl dem Wein an und wähle Thunfischsteak. Er nimmt Muscheln. Der Thunfisch enttäuscht mich. Er ist zwar innen noch rosa, aber dennoch schon zu trocken und das Essen insgesamt ist fad. Ein bisschen Salz gibt Abhilfe, aber ich bin nicht ganz so glücklich mit meiner Auswahl wie er mit seinen Muscheln. Aber der Wein wiegt alles auf.
Gleich um die Ecke ist ein großer Supermarkt, wo wir alles finden, was wir brauchen. Ich gehe noch in eine Apotheke, um Immodium zu kaufen. Das ist ein Medikament, das ich nicht eingepackt hatte, von dem ich aber glaube, dass es eventuell auf hoher See bei einem akuten Anfall von Durchfall nützlich sein könnte.
Zufrieden mit unseren Einkäufen gehen wir zu den Landungsbrücken zurück und kehren nochmal in eine Kneipe ein, um ein Bierchen zu trinken. Es gibt Duckstein! Wann werde ich in meinem Leben nochmal Duckstein trinken können? Es ist köstlich. Nach dem Wein und Bier bin ich ziemlich k.o. Soviel Alkohol habe ich seit langer Zeit nicht mehr getrunken.
Wir machen uns auf den Heimweg, wieder durch den Tunnel. Da Pierre gestern schon mal die Strecke gelaufen ist, weiß er aus Erfahrung, wo man sich auf der Hafenseite verlaufen kann, wenn man den offensichtlichen Weg nimmt. Dann steht man nämlich vor dem Schiff, aber auch vor einem hohen Zaun. So gehen wir zielsicher den richtigen Weg und sind bald wieder an Bord.
Der Ingenieur ist guter Dinge. Die Ersatzteile für die Turbolader sind auf dem Weg. Sie kommen aus Bayern und der LKW war leider in einen Stau geraten. Er wird entweder in der Nacht oder am Morgen in Hamburg eintreffen. Vormittags wird man es einbauen, nachmittags testen und abends auslaufen. Ich traue diesen Prognosen nicht mehr und gehe eher von übermorgen aus, aber vielleicht werde ich positiv überrascht?
Beim Abendessen ist die Mannschaft auch gut gelaunt. Vielleicht ist das Schlimmste tatsächlich überstanden und können wir morgen auslaufen.
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Anette Seiler
Anette bereist schon seit ihrer Kindheit das südliche Afrika. Sie liebt es, in der freien Natur zu sein, zu campen, Vögel zu beobachten und offroad zu fahren.
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