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Beim Frühstück unterhalten Pierre und ich uns mit dem Ingenieur. Die Crew hat die ganze Nacht gearbeitet. Das Öl wurde ersetzt, die Leitungen gecheckt. Das Wasser hat einen kleinen Schaden an der Maschine angerichtet. Der muss noch behoben werden. In zwei, drei Stunden laufen wir aus.
Ich frage ihn, was wäre, wenn das ganze irgendwo auf dem Atlantischen Ozean passiert wäre. Er sagt, dann würde man das Schiff treiben lassen und es reparieren. Die Crew kann das auch ohne Hafen, aber mit Hafen ist es einfacher.
Es ist ein chinesisches Schiff. Obwohl die Chinesen durchaus hochwertige Ingenieurskunst beherrschen und bis zur Rückseite des Monds fliegen können, kommen hier eher Kindheitserinnerungen von Spielzeug “Made in Hong Kong” auf – das war nach ein paar Minuten kaputt gewesen. Hier an Bord habe ich schon in der kurzen Zeit ein paarmal den Satz “It’s made in China” gehört, immer, wenn etwas nicht in Ordnung war. Zum Beispiel gestern. Da fiel an meinem Stuhl die Polsterung heraus. Robert sagte: “It’s made in China” und wollte meinen Stuhl mit einem anderen austauschen. Als er den anderen Stuhl anhob, hatte er nur die Lehne in der Hand. Wir lachten und sagten im Chor: “It’s made in China!”.
Ob unser Maschinenproblem etwas mit der Tatsache zu tun hat, dass es sich um ein chinesisches Schiff handelt, weiß ich nicht. Vielleicht wird “It’s made in China” in der Hinsicht eher als Ausrede benutzt. Aber wundern täte es mich nicht.
Pierre erzählt mir beim Frühstück von seiner Zeit in Südafrika. 1972 ist er mit 250 Dollar hingefahren und hat zuerst in den Goldminen in der Fahrstuhl–Logistik gearbeitet. Bis 1976 war er im Land gewesen.
Von Beruf her ist Pierre Winzer. Er hatte bei Genf in der Schweiz ein Weingut, dass er im letzten Oktober bis auf 12 ha verkauft hat. Nun ist er im Ruhestand.
Beim Mittagessen sagen der Kapitän und Ingenieur, dass wir um 15:00 auslaufen werden. Aber 15:00 kommt und geht. Außer ein paar Starts und Stopps der Maschine passiert gefühlt nichts. Später erzählt der Ingenieur uns, dass in der vorigen Nacht sehr viel geschehen sei. Man hatte alles kontaminierte Öl abgelassen. Dann mussten Männer von der Crew in die Maschine hinein kriechen – ja richtig rein – um dort alles zu säubern. Außerdem hatten sie die Stelle gefunden, wo das Öl mit Wasser verunreinigt wurde. Ein Teil war ausgefallen, also Materialfehler. “It’s made in China!”
Beim Abendessen fragen Pierre und ich den Chief Officer, ob wir morgen auslaufen werden. Nein nicht morgen. Heute noch? “Monday”. Montag? Erst übermorgen? Ich will noch einen Scherz machen, dass sie wohl die ganze Maschine austauschen wollen, aber seine besorgte Miene gab mir den Eindruck, dass genau das passieren könnte. Nein, nicht die ganze Maschine – sie ist zu groß. Aber es müssen wohl größere Teile ersetzt werden.
Nun, ich bin die Ruhe selbst. Ich sitze im Warmen und Trocknen und kann an meinem Computer herumwurschteln oder lesen. Selbst Pierre, der es wohl nicht mehr rechtzeitig bis nach Durban schaffen wird, ist entspannt. Bei seinen drei Reisen mit Schiffen habe er das schon oft erlebt. Es ist wohl üblich, dass solche Verzögerungen vorkommen. Und wenn man nach Afrika und in Afrika reisen wolle, sind Verspätungen vorprogrammiert.
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Anette Seiler
Anette bereist schon seit ihrer Kindheit das südliche Afrika. Sie liebt es, in der freien Natur zu sein, zu campen, Vögel zu beobachten und offroad zu fahren.
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