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Es ist kurz nach sieben. Die Ladeluken werden geschlossen. Beim Frühstück erfahren Pierre und ich, dass der Start für 8:00 geplant ist.
Nach dem Frühstück zeigt Robert uns den Raum, in dem wir Wäsche waschen und trocknen können, und den Fitnessraum, in dem wir Sport machen könnten, wenn wir wollen. Dort gibt es auch ein Schwimmbad, aber es ist leer. Es ist eine Fehlkonstruktion: Bei hohem Seegang verteilt sich das Wasser des Pools im ganzen Raum.
Dann gehen wir ganz nach oben, in den 7. Stock, auf die Brücke. Hier ist noch nicht viel los. Nur der Third Officer hisst gerade eine Deutschlandfahne. Die Abreise steht unmittelbar bevor.
Kurz nach acht kommen die Schlepper. Die Maschine wird gestartet. Ich schnappe mir meine Kamera und gehe an Deck. Eigentlich wollte ich während des Auslaufens auf die Brücke sein, aber ich hatte festgestellt, dass, wegen der spiegelnden Fenster, nicht ganz so großartige Bilder machen könnte. Also an Deck.
Es ist eiskalt. In der Nacht zuvor hatte es geschneit und auf der Wetterseite des Schiffs liegt dickes, sehr rutschiges Eis. Auf der anderen Seite gibt es trockene Stellen. Auf die beschränke ich mich, während ich draußen bin.
Die Seile der Schlepper werden an dicken Poller auf der Bright Sky befestigt. Die Taue, die das Schiff an den Kai fixierten, werden mit großen Seilwinden eingeholt.
Dann geht es los. Zuerst ziehen die Schlepper uns langsam von der Kaimauer weg. Dann, mit genügend Abstand zieht der eine und schiebt der andere die Bright Sky so weit, dass sie sich einmal um 180 Grad dreht. Es geht los, Richtung Köhlbrandbrücke.
Das Wetter ist schön, obwohl es sehr kalt ist. Die Sonne scheint vom blauen Himmel und es wird so warm, dass das Eis langsam wegschmilzt.
Wir werden unter der Köhlbrandbrücke hindurch bis zur Elbe geschleppt. Auf dem Fluss selbst habe ich einen sehr schönen Blick nach Richtung Osten, zur Hamburg City. Die Elbphilharmonie funkelt im Morgenlicht. Möwen fliegen umher.
Bald erreichen wir Övelgönne. Bei dem schönen Wetter sind viele Spaziergänger mit Hunden unterwegs.
Es geht an der großen Anlage von Airbus vorbei. Nun lassen wir Hamburg endgültig hinter uns. Der Lotse verlässt das Schiff. Ein anderer kommt an Bord. Von Hamburg bis zur Nordsee werden wir nacheinander von drei Lotsen begleitet werden.
Es ist zehn Uhr. Mir ist richtig kalt. Ich gehe hoch zur Brücke. Dort ist die Aussicht sehr schön, aber alle wirken ein wenig gestresst. Ich denke mir: “Es ist halt so beim Ein– und Auslaufen” und gehe still zur Seite, wo ich niemanden im Weg stehe.
Kurz danach spricht mich der Third Officer an. Es gibt ein Problem. Er bittet mich, die Brücke zu verlassen. Ein anderes Mal könnte ich gerne wiederkommen. Ich will wirklich niemanden stören und gehe zurück in meine Kabine, mache mir Tee und lese ein wenig.
Beim Mittagessen kommen nur zwei der Offiziere zum Essen. Robert teilt Pierre und mir mit, dass wir zurück nach Hamburg müssen. Es gibt ein Problem mit der Maschine. Und wirklich, kurz darauf dreht das Schiff.
Wir fahren die Elbe hinauf. Airbus wird wieder passiert. Die ersten Kräne im Hamburger Hafen sind schon zu sehen. Pierre und ich sind gespannt, wie es weiter geht. Mir ist ein Tag mehr oder weniger egal. Pierre hat aber nur einen Tag Puffer bevor er von Durban nach Madagaskar weiterreist.
Pierre erzählt mir beim Essen von seinen Reisen. Er liebt es, wie ich, in Wüsten zu unterwegs zu sein. Zweimal hat er ein Auto in der Sahara verloren. Im südlichen Afrika ist er auch schon viel gereist. Wir tauschen uns mit unseren Pannenerfahrungen auf Offroad–Wegen aus.
Um halb zwei ist die Elbphilharmonie in Sicht. Wir sind wieder in Hamburg.
Das Wetter ist nicht mehr schön. Wolken sind aufgezogen.
Wir legen wieder an. Dieses Dock hat, außer Poller, keine Infrastruktur. Da müssen erst Autos mit Winden kommen, um die schweren Ankertaue die Kaimauer hochzuziehen. Auf der anderen Seite des Beckens ist dagegen viel los. Ein riesiges Containerschiff wird dort von vier oder fünf Kränen gleichzeitig beladen.
Der Kapitän isst mit uns zu Abend. Pierre und ich fragen, ob das Problem gefunden sei. Er sagt, Ja, aber geht nicht weiter auf unsere Fragen nach mehr Details ein. Morgen früh soll es losgehen.
Später setzt sich der deutschsprachige Ingenieur zu uns an den Tisch. Er sagt, dass irgendwie Wasser ins Öl der Maschine gekommen sei. Dadurch sein ein Zylinder nach dem anderen ausgefallen. Ob es ein technischer Fehler ist oder menschliches Versagen lässt sich noch nicht sagen. Fest steht nur, dass zu viel Wasser im Öl ist und wenn man Glück hat, lässt sich Wasser und Öl mit einer Zentrifuge noch trennen. Wenn es aber emulgiert ist, wird es kompliziert. Jedenfalls wird das kontaminierte Öl gerade abgepumpt und der Tanker mit neuem Öl ist schon da. Heute Nacht wird nun alles gecheckt und dann geht es morgen früh los nach Antwerpen.
Für die Reederei wird diese Havarie teuer. Nicht nur muss der Liegeplatz in Hamburg, die Schlepper und die Lines Men bezahlt werden, auch in Antwerpen rechnet man morgen mit uns. Schüttgut soll geliefert werden. Der Lieferant wird den zusätzlichen Tag in Rechnung stellen, da er die Bargen nicht benutzen konnte und am Sonntag kommt noch ein Zuschlag wegen Sonn– und Feiertagen drauf.
Ob wir schneller fahren werden, um die verlorene Zeit wieder einzuholen, muss die Reederei entscheiden. Schneller fahren bedeutet auch mehr Sprit und daher höhere Kosten. Das werden wir in Antwerpen erfahren.
In Antwerpen wird der Kapitän von Bord gehen und ein anderer Kapitän das Kommando übernehmen. Der neue wird seine Frau mitbringen. Dann bin ich nicht mehr der einzige weibliche Mensch an Bord.
Der Kapitän macht mich dezent auf einen Fauxpas aufmerksam: Ich hatte, als ich auf die Brücke ging, nicht um Erlaubnis gebeten, es zu dürfen, sondern war einfach hereingegangen. Nun sagt er, dass ich beim neuen Kapitän erst fragen sollte, bevor ich die Brücke betrete. Es kam kein Vorwurf, sondern nur dieser kleine Hinweis. Er ist ein Gentleman und ich mag ihn sehr.
Überhaupt Fauxpas. Ich mache wahrscheinlich andauernd Sachen, die ich nicht darf, aber nicht irgendwie absichtlich. Ich weiß es einfach nicht besser. Bis jetzt wurde ich noch nicht darüber aufgeklärt, wie ich mich zu verhalten habe. Darf ich an Deck? Wenn ja, wie? Mit oder ohne Helm? Mit oder ohne Warnweste? Keine Ahnung. Was ist bei Notfällen, zum Beispiel beim Einsatz des Rettungsbootes oder bei Mann über Bord? Der Ingenieur sagt, dass, sobald wir auf hoher See sind, es sicher noch dazu die eine oder andere Übung geben wird. Jetzt ist dazu keine Zeit und die Besatzung hat andere Sorgen. So mache ich es, wie ich es für richtig halte und so, dass ich niemanden im Weg stehe. Nur aus Bemerkungen von Pierre, der ja schon dreimal mit einem Frachter gefahren ist, leite ich ab, dass ich es bisher nicht immer ganz richtig gemacht habe.
Ich frage, ob es üblich sei, dass die gesamte Mannschaft von einer Nationalität sei. Pierre erzählt, dass er schon mit einer philippischen, einer kroatischen und einer ukrainischen Crew gereist sei. Der Kapitän erklärt, dass es heute eher unüblich ist, aber dass es die Arbeit an Bord ungemein erleichtert, wenn alle dieselbe Sprache sprechen und dieselbe Ausbildung hätten. MACS, die Reederei, legt Wert darauf, dass die gesamte Mannschaft von einer Nationalität ist und die Crews der MACS–Schiffe sind meistens polnisch.
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Anette Seiler
Anette bereist schon seit ihrer Kindheit das südliche Afrika. Sie liebt es, in der freien Natur zu sein, zu campen, Vögel zu beobachten und offroad zu fahren.
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