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Bist du ein Fan von Nelson Mandela? Weißt du, wofür er gekämpft hat und was er wegen seiner Überzeugungen erleiden musste? Die Nelson Mandela Capture Site in KwaZulu-Natal informiert nicht nur über den großen Staatsmann, eine außergewöhnliche Skulptur macht außerdem einen Besuch der Gedenkstätte zu einem unvergesslichen Erlebnis.
Da wir im letzten Jahr spontan nach KwaZulu-Natal gefahren sind, waren wir überhaupt nicht vorbereitet auf das, was wir uns dort anschauen konnten. Während ich in der Touristeninformation herumblätterte, stieß ich auf Information zur Nelson Mandela Capture Site in den Midlands der Provinz. Das Foto der Skulptur, die dort ausgestellt wird, faszinierte mich und deshalb machten wir uns auf den Weg in Richtung Howick, und von dort aus ein paar Kilometer weiter auf der R103 zur Gedenkstätte.
Was geschah an diesem Ort?
Am 5. August 1962 fuhr Nelson Mandela in der Tarnung des Chauffeurs von Cecil Williams, eines kommunistischen Aktivisten, auf der R103 von Durban nach Johannesburg.
Zu der Zeit war er bereits 17 Monate untergetaucht. Kurz zuvor hatte er Albert Luthuli, den Präsidenten des ANC in Groutville besucht, um über seine Reise in andere afrikanische Länder zu berichten, in denen er um Unterstützung für einen bewaffneten Widerstand gegen das Apartheid-Regime gebeten hatte.
Die Polizei hatte einen Tipp bekommen, dass Mandela auf der R103 fahren würde. In der Nähe von Howick hielt sie das Auto an und nahm Nelson Mandela fest.
Später wurde Mandela beim Rivonia Treason Trial des Hochverrats angeklagt und zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt.
So verschwand er für 27 Jahre, von denen er die meiste Zeit im Gefängnis von Robben Island lebte, von der Bildfläche. Dennoch führte seine Festnahme dazu, dass sich in der Bevölkerung Südafrikas und auch im Ausland, ein Bewusstsein für die ungerechten Zustände und für die Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung entstand. „Free Nelson Mandela!“ wurde zu einem Schlachtruf der Apartheidsgegner.
Die Geschichte der Nelson Mandela Capture Site
Der Künstler Marco Cianfanelli und der Architekt Jeremy Rose haben von 2007 bis 2012 zusammengearbeitet, um aus der Stätte ein einzigartiges Monument zum Leben von Nelson Mandela zu erschaffen.
Genau 50 Jahre nach Mandelas Festnahme, am 5. August 2012, wurde an der Stelle seiner Gefangennahme die Nelson Mandela Capture Site vom damaligen Präsidenten, Jacob Zuma, eingeweiht.
Ein kleines Museum gibt es seit 2016 auf dem Gelände. Das Museum ist eine Außenstelle des Apartheid-Museums in Johannesburg und wurde in Zusammenarbeit mit der Regierung der Provinz KwaZulu-Natal aufgebaut.
Heute ist die Stätte eine der meistbesuchten Touristenattraktionen in KwaZulu-Natal.
Das Museum der Nelson Mandela Capture Site
Wir fuhren zur Capture Site und sahen von Weitem die Stelen, die die Skulptur ausmachen, aber aus der Perspektive von der Straße sind es einfach Stelen, die in der Landschaft herumstehen.
Wir parkten auf dem Parkplatz unter ein paar schattigen Bäumen. Die Stätte war gut besucht. Viele PKWs aber auch Touristenbusse standen herum.
Wir erkundigten uns als erstes wegen einer Eintrittsgebühr. Zugang zur Stätte ist kostenfrei, aber wir konnten Geld zum Erhalt der Anlage spenden.
Wir gingen dann in ein kleines Museum, das in einem Blechschuppen untergebracht war. Es ist gut, dass das Museum als Einstieg gilt, denn wir konnten alles andere auf der Gedenkstätte viel besser im Licht der Information interpretieren.
Die Ausstellung besteht hauptsächlich aus Informationstafeln mit Fotos und Text zu dem Leben von Nelson Mandela und zum Kampf gegen das Apartheidsregime. Der Fokus der Ausstellung ist die Gefangennahme von Mandela und die 27 Jahre seiner Gefangenschaft.
Auch wenn die Ausstellung schlicht ist, ist es doch die Mühe wert, dort etwa eine Stunde zu verbringen.
Ich bin als Weiße in Südafrika aufgewachsen. Nelson Mandelas Gefangennahme fand ein paar Jahre vor meiner Geburt statt. Während meines Lebens in Südafrika vor 1994, erfuhr ich, trotz politischen und historischen Interesses und trotz meines persönlichen Widerstands gegen die Ungerechtigkeit der Apartheid, so gut wie gar nichts über Nelson Mandela (der in der weißen Bevölkerung als „Terrorist“ bezeichnet wurde) oder über die Anti-Apartheids-Bewegung. Zu gut funktionierte die Propaganda-Maschine der weißen Regierung.
Natürlich hatte ich später, als das Buch herauskam „Der lange Weg zur Freiheit“ gelesen. Das Buch und der Film „Invictus“ machten mich zu einem Madiba-Fan. Hier aber, im Museum, sah ich nun Bilder über Ereignisse, die auch in dem Land passierten, in dem ich viele Jahre gelebt hatte. Es machte mich zornig und traurig zugleich – nicht nur über die furchtbaren Ereignisse, die passiert waren, sondern auch darüber, wie wir, die weißen Einwohner des Landes von diesen Ereignissen abgeschirmt wurden.
Der lange Weg zur Freiheit
Als Nächstes gingen wir einen etwa 500 m langen, gepflasterten Weg entlang zur Skulptur. Am Wegesrand waren Metallschilder aufgebaut, die über den langen Weg zur Freiheit informierten.
Ich nahm mir die Zeit, die Schilder zu lesen und zu reflektieren. Mandela wurde vor meiner Geburt festgenommen. Ich las nun, was im Jahr meiner Geburt stattfand und weiter in den Jahren danach.
Wie schon im Museum, kam mir mein Leben bis 1990 wie das in einem Parallel-Universum vor. Während wir Weiße in einer schönen heilen Welt lebten, priviligiert wegen unserer Hautfarbe, fand gleich nebenan und dennoch für uns unsichtbar, ein unbarmherziger Kampf gegen alle diejenigen in der Bevölkerung statt, die dieselbe Freiheit wie wir wollten. Wieder machte mich der Weg zornig und traurig zugleich – zornig, weil es die Apartheid in dem Land, in dem ich gelebt hatte, gab, traurig, weil so viele, nur weil sie nicht eine weiße Hautfarbe hatten, nicht die Freiheit und Vorteile, die ich hatte, erleben durften.
Die Skulptur
Schon auf dem Weg sahen wir von weitem die Stelen, die die Skulptur ausmachen, aber sie waren einfach nur Pfähle, die in einem Betonboden aufgestellt wurden.
Dann aber, veränderte sich das Bild und etwa 35 m vor der Skulptur wurde es klar – aus den dreidimensionalen Stelen entstand ein zweidimensionales Bild von Nelson Mandela.
Die Skulptur besteht aus 50 lasergefrästen Stelen aus Stahl, zwischen 6,5 m und 9,5 m hoch. Die Ansammlung der Stelen hat einen Durchmesser von etwa 30 m.
Als ich näher an die Skulptur heranging, löste sich das Bild von Mandela wieder auf und die Skulptur wurde einfach zu einem Wald von Stahl-Stelen.
Die Bedeutung der Skulptur an der Nelson Mandela Capture Site
Das Bild von Nelson Mandela, das plötzlich auf 35 m Entfernung von der Skulptur entsteht, zeigt, wie Madiba, nach 27 Jahre Gefangenschaft, plötzlich wieder frei, in der Öffentlichkeit sichtbar wurde.
Ja, für uns, die zu der Zeit im südlichen Afrika lebten, war Mandelas Freilassung genauso unerwartet wie der Mauerfall in Europa. Plötzlich war er da – der Mann, von dem wir nur wussten, dass er seit ewigen Zeiten im Gefängnis gewesen war. Wenn überhaupt, dann kannten wir nur Bilder von ihm aus dem Anfang der 60er Jahren. Nun war er da, ein älterer Herr, der spätere Träger des Nobelpreises für Frieden (zusammen mit F.W. de Klerk, der weiße Präsident, der seine Freilassung veranlasste), der spätere Präsident der freien Republik Südafrika.
Warum 50 Stelen? Marco Cianfelli sagte zu seinem Kustwerk:
“Die 50 Säulen repräsentieren die 50 Jahre seit Nelson Mandelas Gefangennahme, aber sie suggerieren auch die Idee, dass die vielen das Ganze machen: der Solidarität. Mandelas Einkerkerung zementierte seinen Status als Ikone des Kampfes, was wiederum dazu beitrug, den Aufschwung von Widerstand, Solidarität und Aufstand zu gären und politische Veränderungen und Demokratie herbeizuführen.”
“Die Vorderseite der Skulptur ist ein Porträt von Mandela; sie hat vertikale Balken, die seine Gefangenschaft darstellen. Wenn man durch die Struktur geht, strahlt sie wie ein Lichtblitz, der den politischen Aufstand vieler Menschen und die Solidarität symbolisiert.”
Es ist daher passend, dass die Skulptur von ihrem Schöpfer „Release“ (Freilassung)“ genannt wurde. Aus den Stäben, die das Gefängnis symbolisieren, entsteht das Bild von Madiba. Aber nicht nur er, auch die Menschen, für die er kämpfte, wurden frei.
Die wirkliche Capture Site
Die Skulptur steht ein wenig abseits der Straße, auf der Nelson Mandela an jenem 5. August 1962 gefangengenommen wurde.
Als wir an der Skulptur vorbeigingen, sahen wir fünf weitere Stelen, die eine Achse zu dem Ort der Gefangennahme auf der Straße bilden.
Der Rückweg
Auf dem Weg zurück zum Auto dachte ich über das Erlebte nach.
Ich vermisse Madiba. Zu kurz war die Zeit, in der wir ihn kennenlernen durften.
Ich bin aber auch froh – froh, dass sein Kampf und der seiner Mitstreiter erfolgreich war. Ich bin froh, dass die Apartheid Geschichte ist.
Ich bin froh, dass er der erste Präsident des freien Südafrikas wurde und dass es sein Bestreben war, Versöhnung zwischen den Menschen aller Rassen zu bewirken. Rache war ihm, trotz der 27 Jahre im Gefängnis und trotz der Ungerechtigkeit des Apartheid-Regimes, fremd. Sein Traum war ein Südafrika, in dem alle, egal welche Hautfarbe sie haben, frei sein können. Er und seine Mitstreiter konnten diesen Traum verwirklichen. Nun liegt es an Madibas Nachfolgern und uns, dass der Traum Wirklichkeit bleibt.
Weitere Information
Wir waren im August 2019 auf dem Gelände und haben gesehen, dass ein weiterer großer Bau errichtet worden war. Im Augenblick wird dort ein Konferenzzentrum eingerichtet. Laut der offiziellen Webseite, sollte dieses Zentrum im November 2019 eröffnet werden. Leider habe ich keine Information darüber gefunden, ob die Eröffnung schon stattgefunden und inwieweit sich die Gedenkstätte dadurch verändert hat.
Es gibt auf dem Gelände ein Café, das exzellenten Kaffee servieren soll. Außerdem gibt es einen kleinen Laden mit Handarbeiten, einen Buchladen und einen Kinderspielplatz. Da gerade ein großer Reisebus seine Insassen auf das Café und den Laden losgelassen hatte, haben wir die Geschäfte nicht besucht.
Fazit
Lohnt sich ein Besuch der Stätte?
Ja! Und zwar in zweierlei Weise:
- Das Kunstwerk: die Skulptur ist wirklich einzigartig und sehenswert.
- Die Auseinandersetzung mit der Geschichte: es ist wichtig, die Geschichte zu kennen, denn wie sagte George Santayana?
„Wer sich nicht seiner Vergangenheit erinnert, ist verurteilt, sie zu wiederholen“.
George Santayana
Wenn du also durch die Midlands von KwaZulu-Natal fährst und an der Nelson Mandela Capture Site vorbeikommst, halte an, gehe ins Museum, gehe den langen Weg zur Skulptur hinunter und dann schaue dir das Bild von Nelson Mandela an.
Wen ich dir noch einen Tipp geben darf: Lese vor deinem Besuch die Autobiografie Nelson Mandelas – Der lange Weg zur Freiheit.
Literaturverzeichnis
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Unbekannt: The Nelson Mandela Capture Site – Howick. In Africa and Beyond. Online verfügbar unter https://inafricaandbeyond.com/nelson-mandela-capture-site-howick/.
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Unbekannt (2014): 5 Important facts about the Nelson Mandela Capture Site – Review. Review. Online verfügbar unter https://reviewonline.co.za/54815/5-important-facts-nelson-mandela-capture-site/.
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Unbekannt (2018): Mandela Capture Site | South African History Online. South African History Online. Online verfügbar unter https://www.sahistory.org.za/place/mandela-capture-site.
Unbekannt (2019): Midlands Meander & Mandela’s Capture Site. Cedarberg Africa. Online verfügbar unter https://www.cedarberg-travel.com/experiences/midlands-meander-mandelas-capture-site/.
Anette Seiler
Anette bereist schon seit ihrer Kindheit das südliche Afrika. Sie liebt es, in der freien Natur zu sein, zu campen, Vögel zu beobachten und offroad zu fahren.
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