Im Januar 1486 betrat Diego Cão als erster Europäer namibischen Boden. Er landete an einem Kap an der Küste, dass nur von tausenden Robben besiedelt war und errichtete ein Padrão, ein Steinkreuz. Spätere Generationen benannten das Kap nach dem Kreuz: Cape Cross oder Kap Kreuz.
Diego Cão interessierte sich nicht für die Skeleton Coast. Sein eigentliches Ziel war es, einen Seeweg nach Indien zu finden. An besonders markanten Orten an der Küste stellte er Padrãos auf und beanspruchte so das Land für die portugiesische Krone. Allerdings kehrte er nach dem Landgang bei dem Kap mit den vielen Robben nach Europa zurück.
Cãos Kreuz wurde 1893 von Gottlieb Becker, dem Kommandanten der Falke entfernt und nach Berlin gebracht. Das Kreuz war schon sehr verwittert und halb umgefallen. Becker stellte ein Holzkreuz auf, das zwei Jahre später durch eine Nachbildung aus dunklem Stein ersetzt wurde.
Am Ende des 20. Jahrhunderts wurde ein weiteres Kreuz aufgestellt, dass dem Original von Cão ähnlicher sieht.
Cãos ursprüngliches Kreuz wurde im August 2019 von der Bundesrepublik Deutschland der Museums Association of Namibia übergeben. Zurzeit werden noch mehrere Möglichkeiten erörtert, was mit dem Kreuz geschehen soll.
Unser Besuch bei Cape Cross
Anita, Michael und ich besuchen das Cape Cross auf unserem Rückweg von der Mineralienroute. Cape Cross ist gut von der C34 ausgeschildert. Wir biegen in die Straße zum Cape Cross Seal Reserve ab. Nach kurzer Zeit erreichen wir das Cape Cross Registration Office, bezahlen eine Eintrittsgebühr und fahren dann weiter zum Kap selbst.
Das erste, was wir vom Cape Cross wahrnehmen, ist der Gestank. Cape Cross ist eine der größten Kolonien der Südafrikanischen Seebären, eine Unterart der Ohrenrobben. Bis zu 250 000 Tiere leben hier. Im Dezember und Januar bringen sie ihre Babys zur Welt. Der Gestank hat mehrere Ursachen: zum einen produzieren eine Viertelmillion Tiere eine Menge Kot. Zum anderen sterben hier auch viele Tiere und vor allem im Januar auch viele Jungtiere, deren Körper dann verwesen. Dieser Gestank ist überwältigend und kaum zu ertragen.
Das zweite, was wir vom Kap wahrnehmen, ist der Krach. Die Viertelmillion Robben rufen ständig einander zu.
Erst dann sehen wir die beiden Kreuze auf einer Anhöhe und am Ende der Straße, die Robben.
Die Kreuze
Ich gehe als erstes zu den beiden Kreuzen, die an Diego Cão und den portugiesischen Seefahrern erinnern. Dabei versuche ich mir vorzustellen, was die Portugiesen wohl gedacht haben, als sie sich an diesem Ort mit dem bestialischen Gestank umschauten. Auf der einen Seite befindet sich der kalte Atlantische Ozean, mit seiner starken Strömung und der hohen Brandung, die auf den Felsen des Kaps hochspritzt. An der anderen Seite ist die heiße Wüste mit ihren Schotterebenen. Es gibt kein Wasser, keinen Baum, keinen Menschen. Die einzigen Lebewesen sind die Unmengen von Robben, Schakale, die die verwesenden Leichname fressen und Seevögel. Ich denke mir, dass dies die Besatzung von Diego Cãos Schiff so sehr erschüttert hat, dass sie nicht weiter gen Süden fahren wollten. Deshalb kehrte Cão um und erforschte lieber den Urwald bei der Kongomündung. Erst Bartholomeus Diaz traute sich weiter und umrundete das Kap der Guten Hoffnung und erst Vasco da Gama fand den Seeweg nach Indien.
Die Inschrift von Diego Cãos Kreuz ist in mehreren Sprachen übersetzt in einen Stein gemeißelt. Ich lächle über die Aussage, dass er im Jahr 6685 nach Erschaffung der Welt das Kap entdeckte und für die portugiesische Krone beanspruchte.
Die Robben
Früher waren die Kreuze und der Parkplatz mit einem Picknikareal durch eine Steinmauer von den Robben getrennt. Später kamen Holzstege hinzu von denen Besucher den Tieren noch näherkommen konnten. Die Mauer und die Stege werden von dem Personal des Robbenreservats nicht mehr gepflegt und so haben die Robben beides erobert. Viele Tiere liegen auf dem Parkplatz und auf den Holzstegen herum. Auch das Picknickareal (das eh nie als solches benutzt wurde, da einem bei dem Gestank der Appetit vergeht) ist fest in Robbenhand.
Ja, die Robben liegen meistens nur herum, schlafen und lassen sich die Sonne auf den Bauch scheinen. Wenn sie hungrig sind, gehen sie ins Meer und fangen sich ihr Futter. Danach geht es zurück ans Land für eine weitere Runde faullenzen.
Die Tiere sind nicht bedrohlich, und sie haben auch kaum Angst. Deshalb können wir ihnen sehr nahekommen und brauchen kein extremes Teleobjektiv um sie zu fotografieren.
Ich fotografiere noch eine Weile, aber dann wird der Gestank der sehr geruchsempfindlichen Anita zu viel. Wir fahren wieder weiter, zurück nach Meile 108.
Fazit
Trotz des Gestanks am Cape Cross finde ich, dass der Ort einen Besuch wert ist. Es gibt kaum einen anderen Ort auf dieser Welt, an dem so viele Robben leben. Im Dezember kommen die Babys zur Welt. Dann ist das Kap nur an einem Tag in der Woche für Besucher geöffnet. Die Babys sind, wie alle Tierbabys, süß, aber empfindliche Gemüter mögen den Ort dann auch als erschütternd empfinden, weil viele der Babys die ersten Wochen nach der Geburt nicht überleben. Entweder finden die Mütter ihre Kinder nicht mehr, oder ein großer Robbenbulle rollt über die Kleinen und erdrückt sie oder eine Springflut reißt die Babys ins Meer. Die Natur kann einem hier sehr grausam vorkommen. Dennoch, trotz der hohen Säuglingssterblichkeitsrate, sterben die Robben nicht aus.
Wenn du dich für Geschichte interessierst und vor allem für die portugiesischen Seefahrer auf ihrer Suche nach einem Seeweg nach Indien, dann ist das Cape Cross natürlich auch einen Besuch wert. Es ist eine Sache über die Geschichte zu lesen und eine andere an dem Ort zu stehen, an dem Diego Cão sein Padrão errichtete und vermutlich mit einem Schaudern über die Wüste schaute.
- Meile 108 – Teil 1
- Meile 108 – Teil 2
- Meile 108 – Teil 3
- Meile 108 – Teil 4
- Meile 108 – Teil 5
- Meile 108 – Teil 6 – Messumkrater
- Meile 108 – Teil 7 – Mineralienroute
- Meile 108 – Teil 8 – Cape Cross
- Meile 108 – Teil 9
- Meile 108 – Teil 10
Anette Seiler
Anette bereist schon seit ihrer Kindheit das südliche Afrika. Sie liebt es, in der freien Natur zu sein, zu campen, Vögel zu beobachten und offroad zu fahren.
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